Kommentar:Streit mit Strahlkraft

Die Turbulenzen in der Münchner SPD können weite Kreise ziehen, denn aus kaum einer anderen Region in Bayern sollen für die Partei bei der Bundestagswahl mehr Zweitstimmen kommen

Von Heiner Effern

Die Münchner SPD wird bis zur Bundestagswahl ein spannendes Forschungsfeld für Psychologen und Politologen sein. Mit Florian Post tritt im Norden nun ein Kandidat an, der sich ausdrücklich um das Wohl und das Ergebnis der eigenen Partei nichts scheren wird. Noch mehr: Es wird einer um Wählerinnen und Wähler werben, der nach der Niederlage bei der Listenaufstellung voller Wut auf die SPD ist. Und wer Post schon mal emotional erlebt hat, der weiß, dass er dann in seinem Furor auch von ihm wohlgesinnten Menschen nicht mehr zu bremsen ist. Auch viele Parteifreunde haben das schon spüren müssen, weshalb seine Niederlage bei der Listenaufstellung sehr wohl auch eine Frage des persönlichen Stils ist. Ohne seine Ausfälle wäre Post nicht so angreifbar gewesen.

Nun werden also Post und Sebastian Roloff, der Bundestagskandidat aus dem Münchner Süden, der ihm seinen Listenplatz abgenommen und den er deswegen der Meuchelei bezichtigt hat, in der gleichen Stadt Wahlkampf machen. Man würde gerne Mäuschen spielen, wenn Stadtchefin Claudia Tausend wie angekündigt alle vier Münchner Kandidaten zum Gespräch bittet, um "einen stimmigen Auftritt" hinzubekommen in den kommenden Monaten. Tausend kandidiert selbst im Osten und war von Roloffs Kandidatur ebenso überrascht wie Post. Läuft am Samstag bei der Aufstellung der Bayernliste der SPD aber mal alles wie geplant, dann wird sich die Zahl der SPD-Abgeordneten in der Stadt womöglich nicht verändern. Statt Post wird Roloff einen vermeintlich sicheren Platz erhalten. Und Tausend hat auch gute Chancen als Nummer zwei bei den Frauen in Oberbayern.

Die Delegierten täten gut daran, nicht noch mehr Münchner zu vergraulen. Denn kaum aus einer Region in Bayern werden mehr Zweitstimmen kommen. Beschädigt man dort den Wahlkampf noch mehr, könnten auf der Liste vielleicht einer Kandidatin aus Oberfranken oder einem Kandidaten aus Niederbayern die Stimmen für den Einzug fehlen. Dass aber drei Münchner in den Bundestag kommen, daran glauben momentan nur wahre Post-Fans. Sein Wahlkreis ist zwar einer der besten für die SPD in Bayern, aber es ist schon mehr als vermessen von Alt-OB Christian Ude, seinen Freund Post in eine Reihe mit früheren Kandidaten wie Peter Glotz und Hans-Jochen Vogel zu stellen. Post kam auch nicht an die hervorragenden Ergebnisse seines Vorgängers Axel Berg heran. Nun zu glauben, dass ein Wahlkampf ohne oder sogar gegen die SPD eine Chance hat, das klingt nach Pfeifen im Walde. Das mag viele in der SPD beruhigen, die nur mit Schaudern daran denken, was passieren würde, wenn Post unter diesen Vorzeichen siegen und wieder in den Bundestag einziehen würde.

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