Kommentar:Störfaktor Gelb

Die Farben der künftigen Koalition wirken sich auch auf München aus: Die Drähte vom Rathaus zu einem Kanzler Scholz wären kürzer als zu Laschet - doch mit der FDP gibt es in beiden Konstellationen wenig Gemeinsamkeiten

Von René Hofmann

Vor der Wahl stehen die Wünsche. Und danach die Koalitionsverhandlungen. Wie viel vom Versprochenen jeder Wahlkämpfer umsetzen kann, hängt maßgeblich von den Konstellationen ab, in denen Regierungspartner zueinanderfinden. Der Ausgang der Bundestagswahl 2021 birgt hier besonders viele Spannungselemente, aus bundespolitischer Sicht ganz allgemein und aus der Münchner Perspektive besonders.

14 Abgeordnete mit der Heimatanschrift München werden in den neuen Bundestag einziehen. Das sind so viele, wie vor vier Jahren den Sprung ins Parlament schafften. Bei FDP (drei), SPD (zwei), AfD (zwei) und Linke (eine) ändert sich mengenmäßig nichts. Die Grünen schicken ein Parteimitglied mehr nach Berlin (jetzt drei), die CSU eines weniger als vor vier Jahren (jetzt auch drei). Weil der Bundestag wächst, dürften es die einzelnen Abgeordneten künftig schwerer haben, sich Gehör zu verschaffen. Am wichtigsten aber ist die Frage: Wer hat künftig überhaupt das Sagen, also welche Parteien stellen die Regierung?

In jeder Kommune gibt es zahlreiche Probleme, denen ausschließlich mit Hilfe von höchster politischer Ebene beizukommen ist. In München sind dies vor allem drei: der gewaltige Wohnraummangel, das Verkehrsdilemma und das Streben nach mehr Ökologie. Wie mühsam das Vorankommen bei diesen Themen sein kann, haben die vergangenen zwei Legislaturperioden gezeigt, in denen es in Berlin große Koalitionen gab. In der Konstellation, die der Sonntag ergab, schlummert deshalb erst einmal der Charme eines Neuanfangs. Welches Farbenspiel aber böte der Landeshauptstadt die besseren Aussichten: Schwarz-Grün-Gelb oder Rot-Grün-Gelb?

Wo die größeren Schnittmengen liegen, zeigt der Abgleich mit den Farben, die das Rathaus beherrschen. Dort formen Grün und Rot seit vergangenem Jahr eine Koalition, in der es zwar mitunter knirscht, die sich aber prinzipiell einig ist, dass die Themen Wohnungsnot, Verkehrsumbau und Ökologie angegangen werden müssen. Dieses Streben dürfte unter einem Ampelbündnis (SPD/FDP/ Grüne) im Bund mehr Fahrt aufnehmen als unter einer Jamaikakoalition (CDU/ Grüne/FDP). Die Drähte zu einem Kanzler Scholz wären vom Marienplatz aus kürzer als zu einem Kanzler Laschet. Am problematischsten aber bleibt das gelbe Element im Spiel. Die Liberalen haben wenig im Programm, was die Koalition an der Isar teilt. Dass sie nun maßgeblich sind, kann München bremsen.

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