Kommentar:Spekulanten den Boden entzogen

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Auf Äckern statt Gerste viel Geld ernten: Das wäre zwar das gute Recht der Landwirte. Doch die Stadt zieht nun ebenfalls zu Recht die Notbremse

Von Thomas Anlauf

Es wirkt wie eine Idylle am Rande der Großstadt. Bauern pflügen übers Feld, ein Traktor rattert über die Straße, Stroh fliegt durch die Luft. Ist das Natur? Ist das wirklich so schützenswert, wie einige Grundstücksbesitzer im Münchner Norden meinen? An diesem Mittwoch hat München eine Sperre für Spekulanten beschlossen, die auf den Äckern statt Gerste viel Geld ernten wollen. Das ist zwar das gute Recht der Landwirte. Doch die Stadt zieht nun wiederum zu Recht die Notbremse. Denn München braucht Grundstücke, auf denen bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Die Eigentümer in Feldmoching werden nicht enteignet, wie es gerne von einigen Aktivisten dargestellt wird. Sie sollen nur nicht dafür über die Maßen belohnt werden, dass sie Ackerland und Wiesen jahrzehntelang halten, um zu warten, bis der Bodenpreis ins Unermessliche steigt.

"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Diese zwei Sätze klingen zwar nicht sexy und erfreuen sicherlich keinen Grundstückseigentümer. Doch der Artikel 14 ist in Stein gemeißelt: im Deutschen Grundgesetz. Genau diesen Artikel müssen sich Grundbesitzer immer vor Augen halten, wenn sie darauf spekulieren, mit ihrem Grund und Boden verdammt viel Geld zu verdienen. Ihr Verdienst liegt lediglich darin, dass sie Boden besitzen. Doch darin liegt auch ein Missverständnis. Denn auch in der Bayerischen Verfassung steht klar: "Offenbarer Missbrauch des Eigentums- oder Besitzrechts genießt keinen Rechtsschutz." Das bedeutet, dass Grundstücksbesitzer nicht beliebig mit ihrem Boden spekulieren dürfen. Der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Hans- Jochen Vogel (SPD) hat schon vor einem halben Jahrhundert und bis heute für eine Reform des Bodenrechts gekämpft. Doch erst jetzt ändert sich angesichts der hohen Mieten in München langsam etwas.

München muss jetzt handeln, um das Wohnungsproblem in den Griff zu bekommen. Und die Stadt muss sich entscheiden, ob sie den Wiener Weg einschlägt und möglichst viele Wohnungen in eigener Hand oder städtischen Wohnungsgesellschaften hält - oder ob sie wie in extrem teuren Städten wie London alles dem freien Markt überlässt. Münchner Grundstücksbesitzer müssen deshalb Verantwortung übernehmen und nicht darauf warten, dass ihnen Immobilienunternehmen Mondpreise bezahlen.

© SZ vom 09.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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