Kommentar:Schüler als Versuchskaninchen

Die Stadt hat mit den Ganztagsangeboten Bedürfnisse geweckt. Sie zu ignrorieren, ist verantwortungslos.

Christian Rost

Da wollten zwei besonders eifrig sein: Der Freistaat, als er unter Monika Hohlmeier überstürzt das achtjährige Gymnasium einführte. Und die Stadt München, für die Stadtschulrätin Elisabeth Weiß-Söllner noch eins draufsattelte und zwei Gymnasien über das G-8-Konzept hinaus zu echten Ganztagsschulen ausrief.

Was man nicht sehen wollte, ist, dass die Umwandlung nicht mit ein paar Lehrerstellen mehr erledigt ist. Schüler und Lehrer, die sich bis in den späten Nachmittag hinein in den Schulen aufhalten, brauchen auch genügend Platz.

Es gibt aber zu wenig Geld für Umbauten und Erweiterungen. Insbesondere der Freistaat drückt sich vor seinen Pflichten. Von den 62 Millionen Euro, die die Einführung des G8 in München kostete, erstattete er der Kommune nur die Hälfte.

Die Staatregierung pfeift drauf

Auf das Konnexitätsprinzip, wonach die Musik der bezahlen soll, der sie bestellt, pfeift die Staatsregierung. Die Stadt bleibt auf den restlichen G-8-Kosten sitzen - und hat jetzt offenbar kein Geld mehr für ihre Ganztagsgymnasien.

Das Luisengymnasium muss bereits die Notbremse ziehen und das Ganztagsangebot stutzen, weil kein Platz für eine Mensa vorhanden ist. Bekanntlich hatte es die Stadt abgelehnt, dafür Flächen von benachbarten Geschäften bereitzustellen. Man wollte nicht auf die Mieteinnahmen verzichten.

Eltern, die sich von dem Ganztagskonzept hatten überzeugen lassen, sind jetzt erbost. Und viele Berufstätige wissen nicht, wo die Kinder künftig nachmittags bleiben sollen. Die Stadt hat mit den Ganztagsangeboten Bedürfnisse geweckt. Sie zu ignorieren, ist verantwortungslos.

Der Hinweis des Schulreferats, die Gymnasien hätten sich selbst als Ganztagsschulen angeboten, ist übrigens nicht korrekt. In einer Direktorenkonferenz hatte Weiß-Söllner das Engagement mehr oder weniger offen eingefordert. Und außerdem: Wer an der Misere Schuld ist, ist den Eltern letztlich egal. Für sie bleibt nur die bittere Erkenntnis, dass ihre Kinder als Versuchskaninchen für ein allzu ehrgeiziges Projekt missbraucht worden sind.

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