Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Mehr tun gegen mehr Hetze

Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung, Homophobie - das passt nicht zum Bild des weltoffenen München. Zeit, die Schattenseiten zu beleuchten

von Joachim Mölter

Statistiken und Studien stehen nur im Wörterbuch nah beieinander, im richtigen Leben klafft da mitunter ein großer Abstand. Die Statistik weist München als objektiv sichere Stadt aus, eine Studie kommt nun zu dem Ergebnis, dass es mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bürger nicht ganz so weit her ist. Auch hier gibt es im Alltag Hass- oder Vorurteilskriminalität, wie immer man das nennen mag, wenn Menschen angefeindet werden, die auf welche Weise auch immer andersartig sind oder auch bloß so wahrgenommen werden.

Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung, Homophobie - das passt nicht zum Bild des liberalen, weltoffenen München. Umso mehr ehrt es die Stadtspitze, dass sie auch die Schattenseiten beleuchten will. Eine Konsequenz aus dem OEZ-Anschlag, der sich in dieser Woche zum fünften Mal jährt, war jedenfalls die Studie zur "Hasskriminalität in München", die nun vorgestellt wurde. Vergleichbare Untersuchungen gibt es nicht oft hierzulande, bislang sind nur in Niedersachsen und Schleswig-Holstein zwei bekannt.

Die Studie lenkt den Blick nicht auf Gewalttaten, sondern vielmehr auf die Wortgewalt, die meist vorausgeht: auf Beleidigungen, Bedrohungen, Einschüchterungen, auf Mobbing, auf unterschwellige Anfeindungen, die es einzudämmen gilt, ehe sie irgendwann überschwappen und in einen Gewaltexzess münden wie im Juli 2016 am Olympia-Einkaufszentrum.

Die Tendenz zu Hass-Delikten nimmt auch in München eher zu als ab. Daten und Zahlen dazu liegen jetzt vor, man kann damit arbeiten, es gibt Handlungsempfehlungen. Bei der Anhörung des Stadtrats am Dienstag herrschte auch große Einigkeit, dass sich die Stadtgesellschaft entschieden gegen Hass, Hetze und entsprechende Kriminalität positionieren müsse. Die Frage ist nicht mehr: Muss man in der sichersten Stadt Europas etwas gegen diese Form der Kriminalität tun? Sondern: Kann man mehr tun? Ja, das kann man immer. Die Studie gibt dazu nur den Anstoß.

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Quelle:
SZ vom 21.07.2021
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