Kommentar:Leeres Geschwätz

Bis die Bahn die Flughafen-S-Bahn ausgebaut haben wird, dürften Jahre vergehen. So lange nimmt die Bahn billigend in Kauf, dass Fahrgäste im Nordosten auf Treppen angewiesen bleiben - aller Inklusionsdebatten zum Trotz

Von Ulrike Steinbacher

Gut zwei Dutzend Stufen. Erst runter in den Fußgängertunnel und dann wieder rauf zum Mittelbahnsteig. Fahrgäste, die in Johanneskirchen die S-Bahn nehmen wollen, müssen Treppen steigen. Erst runter und dann wieder rauf. Unabhängig davon, ob sie gut zu Fuß sind oder nicht, ob sie Gepäck haben, ob der Kinderwagen mit muss. Und wenn es nach der Bahn geht, wird das auch die nächsten zehn, 20 Jahre so bleiben, bis die Gleise in einen Tunnel verlegt und in Johanneskirchen, Englschalking und Daglfing neue unterirdische Bahnhöfe gebaut sind. Alles andere wäre rausgeschmissenes Geld. Sagt die Bahn.

Nun liegt Johanneskirchen nicht in Nordindien oder Honduras oder Malawi, sondern ist Teil der boomenden Landeshauptstadt des prosperierenden Freistaats Bayern, und die S-Bahn, die dort verkehrt, ist nicht irgendeine Nebenlinie Richtung Abstellgleis, sondern eine von ohnehin nur zwei öffentlichen Bahnverbindungen zwischen Innenstadt und Flughafen. Allein unter diesen Gesichtspunkten ist die Argumentation der Bahn-Tochter DB Station & Service AG schon ein Witz. Was denkt sich wohl ein Fahrgast, der aus New York oder Shanghai anreist und dann in München als erstes sein Gepäck über steile Treppen wuchten muss, weil die Bahn einen Aufzug "wirtschaftlich nicht sinnvoll" findet?

Viel schlimmer trifft die Verweigerungshaltung des Unternehmens aber Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind. Sie können am Bahnhof Johanneskirchen die S-Bahn schlicht nicht nehmen. Und diesen Leuten zu sagen, da müsst ihr halt jetzt noch mal zehn, 20 Jahre warten, bis ihr einsteigen könnt, das ist unglaublich zynisch. Ja, Aufzüge kosten Geld, aber wenn es mit der Planung in diesem Tempo weitergeht, wird sich die Investition längst amortisiert haben, bis die Flughafen-Linie ertüchtigt ist.

Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen ist seit 2002 in Kraft, die Bahn hat diverse Programme zur Umsetzung erarbeitet. Solange sie die aber einfach ignoriert, wenn's konkret wird, bleiben all die schönen Worte über Inklusion und Barrierefreiheit nur leeres Geschwätz.

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