Kommentar:Europa macht München sicherer

Auf die EU wird gerne geschimpft, zum Beispiel auf die Gefahren durch offene Grenzen. Doch bei vielen Fällen gilt längst: Nur wenn Polizisten über Grenzen hinweg zusammenarbeiten, können sie erfolgreich sein

Von Martin Bernstein

Auf Europa schimpfen, ist einfach. An allen realen wie vermeintlichen Übeln soll Brüssel schuld sein. Was den einen der Richtwert für die erlaubte Salatgurkenkrümmung ist, sind den anderen die angeblichen Gefahren durch "offene Grenzen". Von Rechtsaußen wird derartiges Unbehagen munter angeheizt. Schließlich geht es ja um Stimmen, auch bei der Europawahl. Populisten und Nationalisten aller Länder vereinigt euch? Denen kann die gefühlte Unsicherheit gar nicht groß genug sein. Europa - ein Sicherheitsrisiko? Wer das behauptet, redet Stuss. Nirgendwo wird das deutlicher als in München.

Die rechten Hetzer, die "Europa" sagen, aber die offene, freiheitliche Gesellschaft meinen, wird das vermutlich wenig interessieren. Allen anderen, der - hoffentlich - großen Mehrheit immer noch, sollte aber gerade in dieser Woche deutlich geworden sein, wie wichtig Europa ist. Auch und gerade für unsere Sicherheit. Denn der Schlag gegen die kalabrische Mafia, die 'Ndrangheta, vom Mittwochmorgen - er wäre ohne Europa nicht möglich gewesen. Italienische Carabinieri und Staatsanwälte riskieren Kopf und Kragen, britische Zöllner schauen genau hin, aus allen Ländern Europas stammende Experten der EU-Justizbehörde Eurojust im niederländischen Den Haag koordinieren den Einsatz Hunderter Fahnder, die in mindestens sechs Ländern zur gleichen Zeit zuschlagen - und in Riem und Daglfing können Münchner Polizisten eine Pizzeria und zwei Wohnungen durchsuchen. So funktioniert Sicherheit. So funktioniert Europa.

Kriminalität macht längst nicht mehr an Grenzen halt, auch nicht an solchen, die zu vermeintlichen Festungen ausgebaut werden. Im Gegenteil. Abschottung hilft den Verbrechern. Dass Münchner Senioren in den vergangenen Jahren von falschen Polizeibeamten um Millionenbeträge geprellt werden konnten, liegt nicht zuletzt daran, dass zwischen deutschen und türkischen Ermittlern lange Zeit eine schier unüberwindliche Grenze bestand. Kaum wird diese Grenze auch nur ein Stückchen durchlässiger, schon gibt es erste Fahndungserfolge wie im Juni in Antalya. Andere Bedrohungen konnten durch grenzenlose Zusammenarbeit zumindest zeitweise fast völlig von den Münchnerinnen und Münchnern fern gehalten werden. Drei Jahre lang machten Enkeltrickbetrüger einen großen Bogen um München. Die Folgen der gemeinsamen Ermittlungsarbeit von Polizisten aus München und Polen waren ihnen noch in allzu guter Erinnerung. Wenn das Betrugsphänomen jetzt wieder aufflackert, spricht das nicht gegen, sondern für noch mehr Europa. Auch, aber nicht nur, in der Polizeiarbeit.

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