Kommentar:Erst wettern, dann einknicken

Die Stadt beugt sich dem Ärger der Grundbesitzer im Norden. Das Problem: Sie muss nun aus einer deutlich schwächeren Position heraus verhandeln. Daran aber ist die Stadtratsmehrheit selbst schuld. Schließlich hat die CSU die Proteste selbst angeheizt

Von Dominik Hutter

Schadensbegrenzung nennt man wohl, was die Stadtspitze da mit dem Aus der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Münchner Norden betreibt. Denn Planen im Konsens, eine wirkungsvolle Bürgerbeteiligung, eine faire Verteilung von Lasten und Gewinnen - all das war auch in der SEM schon vorgesehen. Der große Unterschied beim neuen Konsensmodell ist nur das kategorische Nein zur Enteignung. Dieser radikale Eingriff war allerdings, anders als von den Grundstückseigentümern und von Teilen der CSU behauptet, keineswegs zum Mittel der Wahl erkoren worden. Enteignungen sind langwierig, politisch angreifbar und bergen juristische Risiken - das macht keine Stadtverwaltung zum Spaß. Die mögliche Enteignung diente nur als Druckmittel, auf das die Kommune jederzeit dezent hinweisen kann. Falls jemand auf komplett stur schaltet oder zocken will.

Künftig ist die Stadt aufs Wohlwollen und die Kooperation der bislang eher bockigen Grundstückseigentümer angewiesen. Das Druckmittel ist vom Tisch. Diese Entwicklung hat sich das rot-schwarze Rathausbündnis selbst zuzuschreiben. Vor allem die CSU ließ kaum eine Gelegenheit aus, um im Münchner Norden gegen die SEM zu wettern. Gerade so, als habe man mit dem Rathaus nichts zu tun, malten örtliche Mandatsträger das Schreckensbild von der autoritär durchgreifenden Stadtverwaltung an die Wand. Die Buchstaben SEM gerieten zum Hassobjekt, zum Symbol der Willkür. Die SPD war zunächst überrascht, dann verärgert, unternahm aber wenig, um den falschen Eindruck zu korrigieren. Nun blieb ihr nichts anderes übrig als einzuknicken.

Denn angesichts der vergifteten Stimmung im Münchner Norden wäre ein einvernehmliches Verfahren mit dem Schreckgespenst SEM im Hintergrund schwierig geworden. Vermutlich hätten es viele Feldmochinger auf ein Enteignungsverfahren ankommen lassen. Dieses Risiko war dem Rathaus dann doch zu groß. Nun wird aus schwächerer Position heraus weiterverhandelt. Selbst schuld.

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