Kommentar:Der Unmut ist gefährlich falsch

Die MVV-Tarifreform ist richtig, das neue System macht den Nahverkehr verständlicher und insgesamt günstiger

Von Kassian Stroh

Dass es Proteste geben würde gegen die Tarifreform des Münchner Verkehrsverbunds (MVV), war vorhersehbar. Denn ein neues System, das klarer, einfacher und gerechter ist als das bisherige und in dem niemand einen Cent mehr zahlen soll, das gibt es nicht; bei einer solchen Reform stehen am Ende immer Menschen, die sich als Verlierer sehen. Doch dass der Protest nun so laut wird, dass er so große Teile des Landkreises München umfasst und von so vielen Kommunalpolitikern getragen wird, überrascht. Und ist gefährlich falsch.

Natürlich gibt es künftig Pendler, die mehr zahlen müssen - nur gibt es noch mehr, die billiger davonkommen. Natürlich zieht die neue Ringe-Einteilung singuläre Absurditäten und im Einzelfall auch drastische Preiserhöhungen nach sich - nur gab es absurde Preissprünge auch schon bisher, und viele von ihnen werden nun abgeschafft. Natürlich wäre es eine schöne Idee, den Landkreis München mit der Stadt zu einer einzigen Zone zusammenzufassen, wie es die Landkreis-Politiker fordern. Aber diese Vereinheitlichung war schon in der Stadt schwierig genug, weil viele Innenstadtbewohner nun gut vier Euro mehr für ihr Monatsticket zahlen müssen. Ein Vielfaches mehr hätte es sie gekostet, hätten sie auch noch alle Landkreisbewohner mitsubventionieren müssen. Ja, die Reform ist in Teilen ungerecht. Aber wäre sie gerechter, wenn die ins Westend pendelnde Ayingerin genauso viel zahlte wie ihre Kollegin aus der Au?

Es gäbe nur eine Lösung, bei der alle Kritik aus dem Umland sofort verstummen würde: Alle in eine Zone, keiner zahlt mehr, und das Riesenloch, das dadurch bei den MVV-Einnahmen entsteht, übernehmen die Kommunen und der Freistaat. Gerecht aber wäre auch das nicht - denn dann zahlt letztlich jeder über seine Steuern mit, also auch der, dessen Wohn- und Arbeitsort derselbe ist, der deshalb nicht pendelt, weder S-Bahnen in Anspruch nimmt noch die Straßen in und um München verstopft.

Es wäre fatal, wenn diese Reform in den Kreistagen scheitert, weil sie vieles einfacher, für Nicht-Tarif-Profis verständlicher und den Nahverkehr insgesamt günstiger macht. Weil der MVV für Schüler und Auszubildende billiger wird und weil es erstmals ein flächendeckendes Sozialticket für Bedürftige geben wird (worüber öffentlich interessanterweise überhaupt niemand spricht). Man muss die Reform nicht als großen Wurf feiern, aber größer als die Partikularinteressen einzelner Städte und Gemeinden ist sie allemal.

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