Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Das Ende der Ära Strauß

Lesezeit: 3 min

Monika Hohlmeier und Max Strauß - eine politische Dynastie erlebt ihre letzten Stunden.

Von Peter Fahrenholz

Vielleicht wird irgendwann ein Zeithistoriker eine Arbeit über den Aufstieg und Niedergang der Familie Strauß schreiben. Der Juli 2004 wird dabei eine besondere Rolle spielen. Denn durch puren Zufall mündet hier die Familiengeschichte in ein Finale, das sich kein Drehbuchautor dramatischer hätte ausdenken können.

Erst wurde der Strauß-Sohn Max vom Augsburger Landgericht nach jahrelangen Ermittlungen zu einer drakonischen Strafe wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Zur gleichen Zeit droht seine Schwester Monika Hohlmeier selbstverschuldet in den Strudeln einer unappetitlichen Affäre der Münchner CSU unterzugehen, in der es um Mitgliederkäufe und Wahlmanipulationen geht.

Es implodieren damit die letzten Reste des alten Systems Strauß. Fast 16 Jahre nach dem Tod von Franz Josef Strauß ist dessen Ära in Bayern endgültig zu Ende.

Es war dies eine schillernde Epoche, weil auch Franz Josef Strauß eine der schillerndsten politischen Figuren der Bundesrepublik gewesen ist. Wohl kein anderer Politiker hat so polarisiert wie Strauß - glühende Bewunderer an seiner Seite, fanatische Gegner im Nacken.

Zu seinen Lebzeiten hat es deswegen nur ein Zerrbild von Strauß gegeben, je nachdem, durch welche Brille er gesehen wurde. Erst nach seinem Tod war es möglich, sein Leben gerechter zu bewerten. Seine politischen Leistungen waren sicher größer, als ihm seine Gegner seinerzeit zugebilligt haben.

Schattenseiten zu gewaltig

Aber sie waren nicht so groß, wie seine Bewunderer immer geglaubt haben. Denn dazu waren die Schattenseiten des Systems Strauß einfach zu gewaltig. Am Hofe von Strauß, der devote Kreaturen eigentlich verabscheute und sie zu seiner Anbetung doch brauchte, herrschte ein byzantinisches Treiben mit Schranzen, Schleppenträgern, Weihrauchkessel-Schwingern und Büchsenspannern aller Art.

Wenn der begeisterte Hobbypilot mal wieder selbst am Steuerknüppel saß, hieß es stets, er sei mit seiner eigenen Maschine geflogen, aber es war natürlich immer die Maschine eines seiner Gönner. Zwischen mein und dein wurde nicht so streng unterschieden, zwischen Staat, Partei und Privatinteressen schon gar nicht.

Und eine willfährige Justiz war stets bereit, bei Mitgliedern des weit verzweigten Strauß-Clans ein Auge zuzudrücken. Bayern hatte zu Zeiten von Strauß die prallsten Affären - und keine davon konnte dem Regenten etwas anhaben.

Als Edmund Stoiber 1993 Ministerpräsident wurde, hatte sich der Wind längst gedreht. Plötzlich drohten die Amigo-Affären, über die man unter Strauß immer nur hochnäsig gelacht hatte, der CSU ernsthaft zu schaden. In einer riskanten Operation begradigte Stoiber, der ja der Hausmeier von Strauß gewesen war, die Fronten.

Alte Günstlinge kaltgestellt

Er gestand ein paar lässliche Sünden ein und vollzog einen brutalen Schnitt mit der Vergangenheit. Die alten Günstlinge wurde kaltgestellt, plötzlich galten in Bayern die gleichen Regeln wie im Rest der Republik. Übrig blieben die Kinder von Strauß, von denen es dummerweise zwei in die Politik zog.

Bei Sohn Max hat zum Glück Theo Waigel, der nie zum Dunstkreis von Strauß gehört hatte, verhindert, dass er ein Bundestagsmandat bekam. Dafür trieb er in der Münchner CSU umso gründlicher sein Unwesen. Der Kreisverband von Strauß junior im Münchner Süden gilt als die schwierigste - oder soll man sagen: schmierigste? - Gruppierung der gesamten Partei. Fast alle Protagonisten der aktuellen Münchner CSU-Affäre stammen aus der Strauß-Clique.

Monika Hohlmeier galt hingegen lange als die Gute. Sie hat vor allem auch deshalb eine steile Karriere im bayerischen Kabinett gemacht, weil so der frustrierte Clan der Straußianer in der CSU beruhigt werden konnte. Aber auch bei ihr waren schon vor zehn Jahren die gleichen Reflexe zu beobachten wie bei ihrem aufbrausenden Bruder.

Damals hatte Stoiber kühl enthüllt, dass Strauß jahrelang als Testamentsvollstrecker einer privaten Stiftung fast 300.000 Mark kassiert hatte, obwohl die Stifterin versucht hatte, das Zubrot zu kürzen. Die Strauß-Kinder plagten keinerlei Gewissenbisse.

Monika Hohlmeier verwies lapidar auf das vielfältige soziale Engagement der Familie. Ganz so, als ob ein Bankräuber seine Tat legalisieren könnte, indem er einen Teil der Beute an die Caritas spendet.

Zeit zurückdrehen

Offenbar versucht Hohlmeier in der aktuellen Affäre verzweifelt, die Zeit zurückzudrehen. Mit einer Mischung aus offenkundigen Lügen und eiskalter Chuzpe will sie ihre Haut retten - und reitet sich damit nur noch tiefer in das Unglück. Denn die alten Methoden funktionieren nicht mehr.

Was früher achselzuckend hingenommen wurde, löst heute auch bei den Parteifreunden helles Entsetzen aus. Eine Ministerin, deren eigene Verwicklung in parteiinterne Mauscheleien unübersehbar ist, die Parteifreunde zu erpressen versucht hat, dies tagelang dreist bestreitet, um es dann unter Druck doch einräumen zu müssen - so eine Ministerin muss abtreten.

Die alten Zeiten sind vorbei, dafür hat Edmund Stoiber glücklicherweise gesorgt. Jetzt muss er darauf achten, dass die Methoden der Ära Strauß nicht durch die Hintertür wiederkehren.

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Quelle:
SZ vom 26.7.2004
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