Kommentar:Auf Biegen und Brechen

Es konnte gar nicht schnell genug gehen mit dem Bau der Flüchtlingsunterkunft an der Thalhoferstraße, trotz aller Kritik der Anwohner am Standort in der Grünanlage. Jetzt stellt sich heraus, dass die Bäume vorschnell gefällt wurden. Und die Informationspolitik der Stadt war auch nicht gerade eine Glanztat

Von Nicole Graner

Es konnte nicht schnell genug gehen. Bäume wurden gefällt, die Wiese plattgemacht. Es wurden Bauzäune aufgestellt, Wege gepflastert, Container wurden aufgebaut und ein Erdwall aufgeschüttet, um die Anlage von den Grundstücken der Anwohner zu trennen. Die Flüchtlingsunterkunft an der Thalhoferstraße mitten in einer beliebten Grünanlage musste gebaut werden. Der massiven Standort-Kritik der Anwohner, die ihr Grün beschützen wollten, zum Trotz. Den Bedenken und auch den Ängsten. Und jetzt? Jetzt wird es plötzlich keine Flüchtlingsunterkunft mehr geben. Sie wird so schnell verschwinden, wie sie gekommen ist. Die Wiese wird neu gesät. Bäume werden neu gepflanzt. So, als wäre nichts geschehen.

Dass die Stadt im Jahr des großen Flüchtlingszuzuges unter großem Druck stand, schnell Wohnraum zu finden - verständlich. Dass der Generalunternehmer, den die Stadt mit der Erstellung der Anlage betraut hat, im wahrsten Sinne des Wortes Mist gebaut hat - großes Pech. Dass die Stadt aber nicht in der Lage war, von Anfang an die Bürger transparent, ehrlich und ausreichend zu informieren, war ein Fehler, den man im Rathaus ja später auch eingestanden hat. Und es war ein Fehler, dass man sich nicht die Zeit genommen hat, die Sorgen und Bedenken der Anwohner ernst zu nehmen, sie genauer zu prüfen.

Es musste gebaut werden. Auf Biegen und Brechen. Es wurde Ärger geschürt, der im Jahr 2015, als es knapp 900 Angriffe auf Unterkünfte gab, ein Grund dafür war, dass Unbekannte Steine auf Baufahrzeuge an der Thalhoferstraße warfen. Nun, 2017, wird alles auf Anfang gesetzt. Was das kostet? Auch drüber kann man nur den Kopf schütteln. Oberbürgermeister Dieter Reiter gestand kürzlich im SZ-Interview, dass man bei der Flüchtlingsunterbringung "am Anfang mitunter zu spät informiert" habe und die Verfahren "längst verbessert" seien. Hoffentlich.

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