Alkoholverbot:Am Hauptbahnhof soll die Not aus dem Stadtbild verschwinden

Alkoholverbot: Um die an der Bayerstraße und am Haupteingang herumstehende Szene aus Trinkern und Dealern in den Griff zu bekommen, haben Stadt und Bahn verboten, dort Alkohol zu trinken.

Um die an der Bayerstraße und am Haupteingang herumstehende Szene aus Trinkern und Dealern in den Griff zu bekommen, haben Stadt und Bahn verboten, dort Alkohol zu trinken.

(Foto: Robert Haas)

Mit saftigen Bußgeldern geht die Stadt gegen die Trinker-Szene vor. Nur die wenigsten dürften tatsächlich zahlen. Aber darum geht es der Politik auch nicht.

Kommentar von Thomas Anlauf

Mit saftigen Bußgeldern und allgegenwärtigen Polizisten geht die Stadt seit sechs Wochen gegen die Trinker- und Drogenszene im und am Münchner Hauptbahnhof vor. Wiederholungstäter, die dort nach 22 Uhr zum sechsten Mal Alkohol trinkend erwischt werden, müssen dafür 1000 Euro Bußgeld zahlen. Kein Wunder, dass sich dort am Abend kaum noch ein Trinker blicken lässt.

Viele von ihnen sind Arbeitslose oder Geringverdiener, bezahlen dürften die meisten die drakonischen Strafen nicht können. Aber das ist politisch so gewollt: Die Stadt hatte genug von den herumhängenden Betrunkenen, von den Dieben und den Dealern, die sich zuletzt dort herumtrieben.

Die massive Abschreckungspolitik mag zwar das Erscheinungsbild des Hauptbahnhofs verändert haben. Es stehen - zumindest nachts - keine Pulks von angetrunkenen und manchmal auch pöbelnden Männern am Eingang zum Bahnhof. Geändert hat sich dadurch aber eigentlich nichts. Die Szene ist nur verschwunden, vorübergehend aus dem Blickfeld von Sozialarbeitern und Polizei geraten. Die Menschen sind aber noch da, irgendwo.

Und haben noch immer die gleichen Probleme: Viele sind drogenkrank, nicht wenige bräuchten eine ärztliche Versorgung. Ein Stammsteher, wie der Trinker an seinem angestammten Platz in der Öffentlichkeit genannt wird, trifft sich eben woanders. Genauso wie die Drogenabhängigen und die Dealer.

Viele Bahnpassagiere und Beschäftigte am Bahnhof haben sich unsicher gefühlt. Ihnen hilft, dass die Szene nun vertrieben wird. Das eigentliche Problem wird dadurch aber nur verlagert. Diesen Menschen muss geholfen werden. Und das geht nur, wenn man sie auch irgendwo antrifft. In einem nächsten, dringenden Schritt bräuchte es nun zahlreiche weitere Streetworker in München, es müssten Drogenkonsumräume geschaffen und Hilfsangebote ausgebaut werden. Das Verdrängen der Szene ist einzig das Verdrängen des Themas aus dem kollektiven Bewusstsein.

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