Komische Oper:Doppeltes Tohuwabohu

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Intendant Josef E. Köpplinger inszeniert am Gärtnerplatztheater Gioachino Rossinis "Barbier von Sevilla" - mit zwei unterschiedlichen Besetzungen in zwei Premieren hintereinander.

Von Egbert Tholl

Verwirrung total in einem leicht dubiosen Milieu. Im Bild Matija Meić, einer der Barbier-Darsteller, inmitten von Statistinnen des Gärtnerplatztheaters. (Foto: Christian Pogo Zach)

Bei der Präsentation des Spielplans der kommenden Saison des Staatstheaters am Gärtnerplatz konnte man schon einen kleinen Vorgeschmack bekommen, was einen hier erwartet. Zum Abschluss der Programmvorstellung nämlich wurde ein Ausschnitt aus dieser Premiere serviert, aus Gioachino Rossinis "Barbier von Sevilla". Und zwar das Finale des ersten Akts, wo Rossini das ausbreitet, was er mit großer Lust konnte wie kaum ein anderer Komponist: Das Stiften von kompletter Verwirrung. Alle werden hier verrückt oder sind es bereits, es herrscht ein fabelhaftes Tohuwabohu, jeder ist mit jedem im Clinch, jede mit allen, dazu kommt in der Inszenierung noch - soweit man den kleinen Ausschnitt als signifikant erachten will -, dass man sich hier in einem offenbar leicht dubiosen Milieu befindet, was der Wohlanständigkeit auch nicht unbedingt Vorschub leistet.

Josef E. Köpplinger, Intendant des Gärtnerplatztheaters, hat für seine eigene Inszenierung eine doppelte Kooperation angezettelt, mit dem Gran Teatre del Liceu Barcelona und dem Théâtre du Capitole Toulouse. Und nutzt sie in München für eine umfassende Präsentation des Ensembles. Denn es gibt zwei Besetzungen, zwei Premieren, die erste ist am 8. Juli, die zweite am 10., was keinerlei Gewichtung bedeutet soll. So war auch die Empfehlung Köpplingers bei der Pressekonferenz: Gehen Sie in beide Premieren. Was sich lohnen könnte, wenn man seinen Spaß haben will.

Jennifer O'Loughlin, Gyula Rab, Daniel Gutmann und der Herrenchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz. (Foto: Christian Pogo Zach)

Rossini wurde ein paar Tage nach der Uraufführung seines größten Erfolgs 24 Jahre alt. Zwei Wochen brauchte er für diese Ansammlung verstiegener Koloraturen, für die Auftrittsarie des Figaro selbst, dem Faktotum der Stadt, für das fabelhafte Orchestergewitter im zweiten Akt oder Rosinas Cavatine "Una voce poco fa". Die Kürze des Schaffensprozesses hängt auch damit zusammen, dass Rossini sich fröhlich bei sich selbst bedient und Musiken, die er früher für andere Zusammenhänge geschrieben hatte, hier lustig einpasste. Aber bei sich selbst darf man ja klauen, anders als rhetorisch unbeholfene Politiker, die für Veröffentlichungen aller gedruckten Art gern mal woanders abschreiben.

Außerdem war einem Theaterpragmatiker wie Rossini der Gedanke an einzigartige Geniestreiche vermutlich ohnehin fremd. Auch wenn er selbst dann natürlich reihenweise solche Geniestreiche komponierte. Die Bruchstücke von Zitaten, die Rossinis von anderen Komponisten entlehnt - ja, so was macht er in geringem Maße hier auch - kann man eher als gewitzte Hommage verstehen. Oder vielleicht auch ganz praktisch. Die Uraufführung war dann erst einmal ein Fiasko, um das sich aber bald so viele Legenden zu ranken begannen, dass man heute kaum mehr unterscheiden kann, was da gut erfunden ist oder Wahrheit.

Für Köpplingers Inszenierung am Gärtnerplatztheater entwirft Johannes Leiacker die Bühne, die Kostüme stammen von Alfred Mayerhofer, das Licht von Michael Heidinger. Die musikalische Leitung übernimmt Michael Brandstätter.

Der Barbier von Sevilla , Premiere A am Do., 8. Juli, Premiere B am Sa., 10. Juli, jew. 19.30 Uhr, Gärtnerplatztheater, Telefon 21851960, Infos und Karten unter www.gaertnerplatztheater.de

© SZ vom 08.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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