Münchner Momente:Aufmarsch der Wichtel

Kurz vor dem Jahresende wiederholen sich alte Bräuche, in diesem Jahr allerdings unter etwas anderen Vorzeichen. Noch bleibt etwas Zeit, sich zu entscheiden, wie man Silvester verbringen mag - auf einer lauten Party oder auf der stillen Straße.

Von Andreas Schubert

Endlich: Das Ziel des Jahresend-Rennens 2021 ist fast schon in Sicht. Etappe eins, den Advent, hat man dank der Unterstützung fleißiger Weihnachtswichtel einigermaßen mühelos hinter sich gebracht. Die waren von ihren Logistikzentren am Nordpol ausgeschwärmt, um noch rechtzeitig vor Heiligabend mit ihren mal gelben, mal braunen oder weißen Lieferschlitten viele schöne Pakete vorbeizubringen, während der Weihnachtsmann und das Christkind irgendwo in der Ferne damit beschäftigt waren, ihr Geld zu zählen. Den Heiligen Abend dann verschlief man, wie es alter Brauch ist, vollgestopft mit Braten und Süßigkeiten bei irgendeinem Ballerfilm vor dem Fernseher. Und von der dritten Etappe, dem Verwandtenbesuch an den Feiertagen, tut einem jetzt immer noch der Arm weh, weil man beim Abschied so lange winkend vor der Tür stand, bis das Auto der lieben Familie wirklich außer Sichtweite war, nur um auf Nummer sicher zu gehen.

Die schwierigen Bergstrecken sind also geschafft, aktuell ist das Rennen in seiner vorletzten Phase, der allseits beliebten Zeit "zwischen den Jahren". Man kann wieder fleißige Helferlein beobachten, diesmal welche in orangefarbenen Schlitten, die einen Teil dessen wieder mitnehmen, was die Weihnachtswichtel zuvor die Treppenhäuser hochgeschleppt haben. Die leeren Verpackungen haben die Beschenkten dieser Stadt dann so kunstvoll und extra unzerkleinert in blauen Tonnen aufgetürmt und sorgfältig außen herum drapiert, dass die Leute von der Abholenden Wichtel-Meute (AWM) sich gerne mal mit segensreichen Sprüchen ("Zefix!") dafür bedanken. Immerhin ist es für die AWM in den Wohnvierteln nicht so eng wie sonst, weil viele SUVs und Familienbusse von der Straße verschwunden sind und erst im neuen Jahr wieder auftauchen - ein Weihnachtswunder, das sich jedes Jahr wiederholt.

Die Zieletappe, Silvester, ist dank einiger Änderungen im Reglement weniger anstrengend als früher. Dennoch bleiben einige Herausforderungen übrig. Soll man auf die Party zu Freunden gehen, die angekündigt haben, die Regeln etwas großzügig auszulegen? Soll man daheim bleiben und vor der Glotze ins neue Jahr hinüberdämmern? Oder soll man sich auf die stille Straße stellen und in nostalgischer Erinnerung seinem Tinnitus lauschen, den ein besonders knalliger Jahreswechsel einst gebracht hat? Noch bleibt etwas Zeit, sich zu entscheiden. Die beste Option freilich scheidet speziesbedingt aus, was schade ist: Der in letzter Zeit angefressene Jahresend-Speck würde locker für ein paar Wochen Winterschlaf reichen.

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