Kolumne: After Eight:Sündenpfuhl München

Skrupellose Killer, durchgeknallte Stalker, korrupte Polizisten: München ist ein kriminelles Pflaster. Zumindest momentan.

Beate Wild

In München wimmelt es von psychopatischen Stalkern, tabulosen Serienkillern, korrupten Gesetzeshüter und hinterhältigen Politikern. Die ganze Stadt ist ein abgrundtief sündiges Pflaster. Verbrecher und Ermittler liefern sich ein Katz-und-Maus-Spiel. Leichen pflastern den Weg eiskalter Mörder, skrupellose Erpresser halten ihre Opfer in Atem. Die Idylle, die man in München vermutet, trügt. Zumindest zurzeit. In München findet gerade wieder das Krimifestival statt. An 50 Schauplätzen treten dieses Jahr 90 namhafte Hochspannungsexperten aus dem In- und Ausland auf. Stars wie Simon Beckett, Jeffrey Deaver oder Val McDermid kommen dafür extra an die Isar. Aber auch Lokalmatadoren wie Friedrich Ani mischen bei der kriminellen Vereinigung mit. Das Verbrechen ist allgegenwärtig. Besondere Schmankerl sind die Lesungen an originellen Schauplätzen. Zum Auftakt in der vergangenen Woche las etwa Norbert Horst, Polizist und Krimiautor, aus seinem neuen Buch "Sterbezeit" im Polizeipräsidium in der Ettstraße. Ehrengast des Abends war der gerade pensionierte Chef der Mordkommission Joseph Wilfing. Im Eintrittspreis von 13 Euro war sogar noch ein "Original-Kripo-Süppchen" aus der Polizeikantine enthalten. Wenn das mal nicht authentisch ist. Oder die Lesung in der Pathologie. Im Sektionshörsaal des Instituts für Rechtsmedizin lassen sich sogar waschechte Rechtsmediziner zum Vortragen der Krimis einspannen. Ebenfalls in der Pathologie ist am Freitag der britische Krimistar Simon Beckett mit seinem neuen Gruselbuch "Leichenblässe" zu hören. In diesen Räumen liegt noch der Geruch von Formaldehyd in der Luft, das man zur Konservierung von Leichen benutzt. Vor dem inneren Auge tauchen mit Leinentüchern bedeckte Tote, die ein Schild zur Identifikation am großen Zeh tragen, auf. Jedes Quietschen einer Tür kommt einem verdächtig vor. Gänsehaut ist garantiert. Auch der alte Schwurgerichtssaal des Justizpalastes, die Friedhofsgärtnerei Brandl gegenüber des Nordfriedhofs oder der Chemiehörsaal des Deutschen Museums sind als Gruselschauplätze perfekt geeignet. Die Vermischung von Fiktion und Realität macht das Krimierlebnis erst so richtig attraktiv. Lesen Sie auf Seite 2, was ein Kloster mit dem Verbrechen zu tun hat und wie Ihnen bei einem Dinner das Fürchten gelehrt wird.

Kolumne: After Eight: München ein Sündenpfuhl? Das vermittelt zumindest das Krimifestival.

München ein Sündenpfuhl? Das vermittelt zumindest das Krimifestival.

(Foto: Foto: istock)

Sündenpfuhl München (Seite 2)

Und es scheint, als wollten die Münchner um jeden Preis das Fürchten lernen. Der Run auf die Events ist enorm, viele Vorstellungen sind schon längst ausverkauft. Ist schon komisch, dass in einer Stadt, in der sonst an fast jeder Ecke ein Polizist lauert, damit - wie es schon seit Jahrzehnten die Spider Murphy Gang singt - "das Verbrechen keine Chance hat", die Einwohner von Verbrechen und Sünde dermaßen magisch angezogen werden. Schlummert etwa hinter der biederen Fassade ein enormes kriminelles Potential? Wird das Böse nur unterdrückt und kann jederzeit zum Ausbruch kommen?

Am Samstag geht es dann mit der Krimi-Tram durch die Stadt, Ehrengast ist die Schauspielerin Jutta Speidel. Das passt schon wieder eher zum Bussi-Bussi-München, wie man es gewohnt ist. Gänsehautgarantie gibt es dann dafür aber am Sonntag beim "Dinner in the dark". Im Vinorant im Alten Hof liest die Autorin Karin Askan aus ihrem Roman "Aufs Spiel gesetzt" während eines Drei-Gänge-Menüs. Das Zuckerl: Das Ganze findet bei absoluter Dunkelheit statt. Ob die Teilnehmer dieser Lesung aus Angst überhaupt einen Bissen runterkriegen? Oder sich aufgrund der Finsternis das frisch gewaschene Hemd vollkleckern? Man darf gespannt sein.

Im April geht's übrigens am Ammersee weiter. Unter anderem stehen eine Krimi-Dampferfahrt auf dem Programm, sowie ein verbrecherischer Frühschoppen im Kloster Andechs - ein für eine Straftat eher ungewöhnlicher Ort, möchte man meinen.

Wie auch immer, fürs Erste kann Entwarnung gegeben werden. Ein verbrecherisches Pflaster wie in Johannesburg oder Caracas gibt es in München glücklicherweise bloß in der Fiktion. Halsbrecherische Manöver wagen die meisten Münchner höchstens beim Gerangel um die Karten. Und die sind leider schneller weg sind, als die Polizei erlaubt.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf dem neuen Stadtportal "münchen extra" von sueddeutsche.de.

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