Kolumne: After Eight:Requiem für ein Viertel

Coole Clubs schließen, Luxus-Wohnungen werden gebaut und in Currywurstbuden trinkt man plötzlich Champagner: Das Ende des Glockenbachviertels ist besiegelt.

Beate Wild

Das ist der Anfang vom Ende. Zu den Gerichten, die auf der kleinen Speisekarte stehen, kann der Gast aus einem Dutzend Saucen-Kreationen wählen. Der Renner ist die Trüffel-Mayo-Sauce und die Saté-Erdnuss-Sauce. Auf der Weinkarte werden verschiedene trockene Weißweine empfohlen, eine kleine Flasche Champagner ist für 59 Euro zu haben.

Kolumne: After Eight: Bald Nachtleben-Geschichte: Das Café King.

Bald Nachtleben-Geschichte: Das Café King.

(Foto: Foto: Rumpf)

Nein, wir reden hier nicht von dem neuen Restaurant eines stadtbekannten Sternekochs. Und auch nicht von einem Luxushotel in der Maximilianstraße. Die Rede ist von einer Currywurstbude. Genauer gesagt in der Frauenhoferstraße 11 im Glockenbachviertel. Curry heißt der Laden schlicht. Weniger schlicht ist das Angebot.

Und genau hier liegt das Problem. Champagner in einer Currywurst-Bude? Und das im wahnsinnig lässigen Glockenbach, dem Szeneviertel Münchens schlechthin? Das ist der Anfang vom Ende dieses Viertels. Das Ende der Coolness, das Aus für die Subkultur, das Amen für die In-Lokale.

Wenn ein Schicki-Imbiss, vor dem man nachts Porsches und sonstige Luxus-Autos sieht, hier eröffnet, kann es nicht mehr lange dauern - und Alfons Schuhbeck macht nebenan eine Zirbelstube auf. Die guten Zeiten des Viertels sind vorbei. Das beweist auch der ständig fortschreitende Zerfall des dortigen Nachtlebens.

Ende Januar macht das Café King dicht. Es muss dem Neubau einer Luxus-Wohnanlage weichen. Als hätten wir in München nicht schon genug überteuerte Wohnungen.

Wer kann sich denn so eine Behausung überhaupt noch leisten? Bestimmt nicht die Künstler, Schriftsteller oder DJs, die dieses Viertel groß gemacht haben. Die Gentrifizierung des einst so subversiven Stadtteils hat nicht erst begonnen, sie steht kurz vor dem Abschluss.

In SoHo oder im Meatpacking District in Manhattan fing es einst genauso an. Zuerst waren diese Bezirke arm und etwas heruntergekommen. Arbeiter, Studenten, Künstler, Bohemians wohnten dort. Leute, die Lust auf das Leben hatten und dies auch zelebrierten. Mit der Zeit entstanden nette Lokale und Szene-Clubs, immer mehr Leute aus anderen Gegenden kamen, um dort, wo es so lässig war, auszugehen.

Alles war auf einmal hip, die Lebenskünstler kamen langsam zu Geld, die Wohnungen wurden renoviert, plötzlich wollten auch die Yuppies dort leben. Und so ging es in der Spirale weiter: Immobilienmakler kamen mit ihren Luxussanierungen an, nur noch Wohlhabende konnten es sich leisten dort zu leben. Die Subkultur musste in andere Viertel umziehen und den Reichen weichen. Mit dem Szene-Kiez war es vorbei.

Lesen Sie auf Seite 2, welches Viertel demnächst groß herauskommen wird.

Lärmende Prolls und Milchgesichter

Dem Glockenbachviertel droht das gleiche Schicksal. Das zeigt sich daran, dass immer mehr Clubs schließen müssen. Vor ein paar Monaten erst musste der Elektro-Club Registratur zumachen. Er hat sich jetzt in der Alten Kongresshalle an der Theresienhöhe eingemietet und veranstaltet dort seine Partys - mit ziemlichen Erfolg. Ende des Jahres schlossen zudem das Seven Fish und der San Francisco Coffee Shop am Gärtnerplatz. Anscheinend sollen dort Luxus-Boutiquen angesiedelt werden. Ende Januar steht jetzt das Ende des Café King bevor. Und bald soll, wie man hört, auch das Café am Hochhaus dran glauben müssen.

Und die Clubs, die noch im Viertel bleiben, werden immer schlechter. Die Erste Liga war eine Zeit lang der coolste Laden der ganzen Stadt. Jetzt ist davon nur noch ein kümmerlicher Rest über. Statt charismatischen Szenegängern bevölkern Umland-Prolls und Pickelgesichter die Tanzfläche, bei denen man sich fragt, ob sie überhaupt schon volljährig sind. Die Liga jedenfalls bräuchte dringend mal einen Relaunch, damit das letzte Bisschen Coolness, das noch übrig ist, nicht auch noch verloren geht.

Oder die Paradiso Tanzbar. Dort tummeln sich "extrem wichtige" Medien-Macher, Dandys im Anzug, Mädels im sexy Püppchen-Dress und sie tanzen zu Musik von Bon Jovi. Geht's noch? Dagegen ist das P1 direkt ein lässiger Laden.

Obendrauf kommt, dass im Glockenbachviertel seit geraumer Zeit keine tonangebenden neuen Lokale mehr eröffnen. Die neuen Clubs zieht es auf die Sonnenstraße oder anderswohin. Durch die Gegend um den Gärtnerplatz ziehen abends nur noch Cliquen von Milchgesichtern, die um 22 Uhr fragen, wo denn hier eine "schöne Disco" sei. Und einen obendrein siezen. Wenn man dann antwortet, dass es dafür doch noch viel zu früh ist, blickt man in enttäuschte Gesichter. Klar, in diesem Alter muss man um Mitternacht ja wieder zu Hause sein.

Oder man hört lärmende Prolls durch die Straßen des Viertels grölen, die im tiefsten niederbairisch plärren, wo denn hier "a gscheide Bar" zu finden sei. Die Lokale seien doch "total überteuert" und die Münchner "scheiß-arrogant". Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen.

Unsere ganze Hoffnung setzen wir in das Comeback von Schwabing. Ein Anfang ist das Projekt der Urbanauten "Being Schwabing". In der neuen Interimsbar "Repüblik", die in der Ursulastraße 6 eröffnet hat, widmet man sich eine Woche lang (vom 23. bis 30. Januar) dem legendären Münchner Viertel.

Denn dort, wo sich derzeit im Umkreis der Münchner Freiheit Dönerbuden, Boazn und Kleinkunstbühnen aneinanderreihen, dort, wo es derzeit etwas trostlos und schmuddelig aussieht, genau dort ist Platz für die Bohème des neuen Jahrzehnts.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf "München Extra", dem Stadtportal von sueddeutsche.de.

Bookmark: www.sueddeutsche.de/aftereight

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: