Süddeutsche Zeitung

Kolumne: After Eight:Disco-Helden von heute

Lesezeit: 3 min

Früher gab es in München Giorgio Moroder und seine Disco-Musik. Heute gibt es das Gomma-Label. Das sieht auch das Kulturreferat so - und fördert den neuen "Sound of Munich".

Beate Wild

Wie lange ist es her, dass man sich schon Wochen vorher auf eine Party gefreut hat? Mit 15, als klar war, dass die Eltern des besten Freundes im Sommer zwei Wochen im Italienurlaub sind und man endlich sturmfreie Bude hatte? Oder als man sich auf seinen 18. Geburtstag freute, um endlich seine Volljährigkeit zu begießen?

Heutzutage dagegen gibt es kaum noch Feste, auf die man sich schon lange im Voraus freut. Man hat ja irgendwie alles schon einmal erlebt. Hin und wieder, das passiert vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr, gibt es dann mal ein Highlight, das etwas Abwechslung in den fast schon monotonen Ausgeh-Alltag bringt. Eines dieser "special events" ist die Gomma-Party am Samstag im Alten Rathaus.

Gomma, das ist ein Münchner Plattenlabel, um nicht zu sagen das Münchner Plattenlabel. Als Mathias Modic und Jonas Imbery die Plattenfirma vor zehn Jahren gründeten, war der Erfolg noch nicht abzusehen. Mittlerweile haben sie internationale Bands unter Vertrag, WhoMadeWho, Munk, Phenomanal Handclap Band und Telonius erscheinen hier unter vielen anderen. Am Samstag laden sie zur zweiten großen "Gomma Super Show" und seit Wochen freuen sich Münchens Partygänger auf diese Nacht.

Das Großartige an diesem Event ist die Location. Die Stadt München stellt das Alte Rathaus zur Verfügung - und das ist keinesweges selbstverständlich. Man wolle die junge Münchner Kunst- und Kulturszene unterstützen, sagt uns das Kulturreferat. Den "Sound of Munich" gebe es heute immer noch. Früher, in den Siebzigern, sei das Giorgio Moroder und seine Disco-Musik gewesen. Heute seien das eben Mathias Modica und Jonas Imbery mit ihrem Gomma-Label und dem Italo-Disco-Sound.

Am Samstag präsentieren sich bei der Gomma-Supershow nicht nur Musikkünstler. Vor den Konzerten wird es eine Vernissage und eine visuelle Installation geben. Dann tritt die dänische Superdanceband WhoMadeWho auf. Desweiteren die Disco-House-Combo Moullinex aus Portugal, die Techno-Funk-Gruppe Golden Bug aus Paris sowie Shit Robot aus New York und die Junior Boys aus Kanada. Und live an den Turntables stehen selbstverständlich die Chefs persönlich: Joans Imbery und Mathias Modica.

Lesen Sie auf Seite 2, warum man in München plötzlich die Subkultur entdeckt hat.

Es soll eine "Präsentationsplattform für junge Kunstformen" sein, sagt das Kulturreferat. Man wolle den "Kollektivgedanken" unterstützen und man müsse junge Künstler, die sogenannte "Off-Szene", mehr ins Rampenlicht rücken. Zu verdanken haben wir das Hans-Georg Küppers, dem Kulturreferenten der Stadt München. Küppers ist seit 2007 im Amt und seither bewegt sich etwas in Münchens Subkultur-Szene.

Der SPD-Mann will die "freie Szene", wie er sie nennt, fördern. Auch das digital-analog, ein Festival für elektronische Live-Musik, das seit 2007 im Gasteig stattfindet, gehört zu seinen Projekten. Außerdem werden Reihen wie das BASSart Festival im Deutschen Museum, das "Free & Easy"-Festival im Backstage oder der Pop Talk in der Favorit Bar unterstützt.

Dass die Gomma-Party im Alten Rathaus stattfinden darf, ist auch wegen der historischen Vergangenheit des Gebäudes etwas Besonderes. Für alle Nachtschwärmer, die am Samstag dort feiern wollen, sei erwähnt, dass der Nazionalsozialist Joseph Goebbels dort am 9. November 1938 eine Rede hielt, die quasi der Aufruf zur Reichspogromnacht war. Dass nun, 71 Jahre später, dort die Stadt München die Subkultur fördert, ist ein mutiger Schritt.

Die erste Gomma-Show fand übrigens im Januar dieses Jahres statt, damals noch in der Registratur. Und wer damals dabei war, weiß, warum er sich schon seit Wochen darauf freut. Gomma steht für all das, was München gerne sein will. Es ist lässig, modern, ein bisschen freakig, wild und unkonventionell, international und doch mit einer großen Verbundenheit zu der Stadt, aus der es kommt.

Auch für die Gomma-Chefs ist es immer wieder etwas Besonderes, in München aufzutreten. Modica schwärmt geradezu vom Münchner Publikum. Es sei "sehr offen und aufgeschlossen". Das hört man gerne.

Dass das Kulturreferat unserer Stadt nun solchen Projekten eine Plattform gibt, ist absolut zu begrüßen. Andere Städte sind schließlich auch stolz auf ihre Söhne und Töchter. Höchste Zeit, dass das auch in unserer Stadt passiert. Bravo München, weiter so!

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf "München Extra", dem Stadtportal von sueddeutsche.de.

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