König-Ludwig-Fan:"Der ist doch schon tot!"

Ivonne Ebersbach ist eine junge Frau mit einer ungewöhnlichen Leidenschaft: Sie steht auf jemanden, der seit 125 Jahren tot ist - König Ludwig II. - und erzählt, warum das nicht verrückt ist.

Elisabeth Schmidt

Eigentlich ist Ivonne Ebersbach eine ganz normale Frau, die tagsüber als Mediengestalterin arbeitet. In jeder freien Minute befasst sie sich aber mit Ludwig II.: Sie bewertet Ludwig-Bücher, recherchiert und besucht die ehemaligen Aufenthaltsorte des Königs. Reiseberichte und Recherche-Ergebnisse sammelt sie seit elf Jahren auf ihrer Website. Auch im Ludwig-Jahr möchte die 34-Jährige ihr Wissen über den König weitergeben. Der Tourismusverband Walchensee plant mit ihr eine Führung auf dem Hochkopf, dem Lieblingsberg des Königs.

Ivonne Ebersbach, Ludwig-Verehrerin, in ihrer Starnberger Wohnung, 6.4.2011

Unter royalen Häuptern: Ivonne Ebersbach ist eine glühende Verehrerin König Ludwigs II.

(Foto: Elisabeth Schmidt)

sueddeutsche.de: Frau Ebersbach, wie viele Stunden Ihres Lebens haben Sie mit Ludwig-Recherchen verbracht?

Ivonne Ebersbach: Stunden? (lacht) Jahre! Ich mach das jetzt seit dem Jahr 2000. Ich habe im Job mein Arbeitssoll von acht Stunden erfüllt und danach war Ludwig angesagt. Jedes freie Wochenende war ich unterwegs, habe an der Website gebastelt, Bücher gewälzt oder in Stadtarchiven nachgeschaut, ob ich da noch etwas über Ludwig finde. Die ganzen Zeitungen von damals aufzuarbeiten, das braucht enorm viel Zeit. Da reicht ein Leben gar nicht.

sueddeutsche.de: Sie dokumentieren auf Ihrer Website akribisch genau, wo sich Ludwig II. überall aufgehalten hat - warum machen Sie das?

Ebersbach: Die meisten Ludwig-Bücher gehen über Neuschwanstein, Herrenchiemsee und Linderhof nicht hinaus. Niemand sieht, dass der König auch ein anderes Leben hatte, das sich vor allem in seinen Berghütten abgespielt hat - auf dem Hochkopf, dem Schachen oder Pürschling. So ist es gekommen, dass ich Ludwig II. an allen möglichen Aufenthaltsorten "hinterher" gereist bin. Auf meiner Website bekomme ich jetzt ständig Anfragen.

sueddeutsche.de: Was wollen die Leute wissen?

Ebersbach: Ich werde zum Beispiel gefragt, wie man zur Hundinghütte kommt, von der alle meinen, dass sie im Park von Schloss Linderhof steht. Das ist aber nur der Nachbau, denn die Original-Hundinghütte befindet sich im Graswangtal in der Nähe zur österreichischen Grenze. Dieses Wissen möchte ich den Leuten weitergeben, weil es sonst untergeht.

In ihrer Wohnung stehen überall Ludwig-"Schätze" - eine Ernennungsurkunde mit der Originalunterschrift des Königs sowie diverse Abbildungen: Ludwig ohne Bart, Ludwig mit Bart, Ludwig auf einem Kissen, Ludwig auf einer bayerischen Flagge, Ludwig als Büste, Ludwig als Medaillon. Früher war es ganz schlimm, erzählt die junge Frau, da waren zwei Drittel der Wohnung von Ludwig "bewohnt". Überall klebten Sticker und sogar einen lebensgroßen Papp-Ludwig hatte die 34-Jährige aufgestellt. Bisweilen jagte der ihren Besuchern einen gehörigen Schrecken ein.

sueddeutsche.de: Was sagen die Lebenden dazu, wenn man sich derart intensiv mit jemandem beschäftigt, der seit 125 Jahren tot ist?

Ebersbach: Ja, das verstehen nicht viele. Die meisten sagen: "Was willst du denn mit dem? Der ist doch schon tot!" Selbst meine Familie hatte anfangs wenig Verständnis. Aber mittlerweile finden sie es gut, dass ich mich so detailliert mit etwas befasse.

Nächtliche Schlittenfahrten im Ludwig-Dress

sueddeutsche.de: Auf einem Foto auf Ihrer Website tragen Sie ein Rokoko-Gewand. Ein bisschen skurril ist das schon...

Ebersbach: Das ist bei jedem Fankult so: Man wird immer belächelt, wenn man etwas zu intensiv betreibt. Aber man muss sich in König Ludwigs Zeit hineinversetzen, um ihn zu verstehen.

sueddeutsche.de: Wie gelingt das?

Ebersbach: Ich habe mich mit Freunden einmal mit Rokoko-Gewändern verkleidet. Wie es der König auch gerne getan hat. Dann haben wir uns in der Nacht mit dem Pferdeschlitten vom Graswang nach Schloss Linderhof kutschieren lassen und eine Sonderführung bekommen.

sueddeutsche.de: Wie sind Sie an die Sonderführung gekommen?

Ebersbach: Die ganzen Kontakte zu Buchautoren und Schlossverwaltern öffnen auch Türen. Ich bin zum Beispiel schon einmal auf dem Dach von Herrenchiemsee gestanden oder im höchsten Turm von Neuschwanstein. In Schloss Linderhof konnte ich die nicht begehbaren Räumen, die Küche und das Bad besichtigen. Das hinterlässt einen bleibenden Eindruck und ist Motivation, weiterzumachen.

Eigentlich kommt Ivonne Ebersbach nicht aus Bayern - sondern aus Sachsen. Auf Ludwig II. ist sie über Umwege gestoßen: über Alexandre Dumas' Die drei Musketiere, die sie seit ihrer Kindheit fesseln. In den Büchern liest sie über den Hof des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. Ein Besuch in Paris, eine Besichtigung von Schloss Versailles - und die junge Frau ist infiziert. Zurück in Deutschland erfährt sie, dass es in Bayern ein ähnliches Schloss gibt - Herrenchiemsee. Erst fasziniert sie das Gebäude, dann der Bauherr.

sueddeutsche.de: Inwiefern hat der König Einfluss auf Ihr Leben gehabt? Immerhin haben Sie sich gut ein Jahrzehnt mit ihm befasst.

Ebersbach: Ich bin extra von Sachsen über Straubing hierher nach Starnberg gezogen, um dem König näher sein zu können. Dann habe ich natürlich viele Kontakte über meine Arbeit an der Webseite geknüpft. Ich habe viel über das 19. Jahrhundert gelernt und mir die altdeutsche Schreibweise beigebracht. Ohne die kommt man nicht weit.

sueddeutsche.de: Wobei hat es Ihnen genützt, die Frakturschrift lesen zu können?

Ebersbach: Eine Dame aus Partenkirchen hat mir einmal ein Büchlein in altdeutscher Schrift geschenkt. Ein Zeitzeuge hat darin seine Erlebnisse mit Ludwig festgehalten, als der König das Soiernhaus in der Nähe von Wallgau besucht hat. Das finde ich noch viel spannender als Stücke bekannter Autoren.

Demnächst will Ivonne Ebersbach ein Buch schreiben, um ihre Ludwig-Recherchen zu bündeln. In den letzten zwei Jahren ist sie dennoch etwas langsamer getreten. Sie ist umgezogen und hat geheiratet. Sie sagt: "Ich habe mit meinem Mann meinen echten König gefunden" - selbst wenn er kein eingefleischter Ludwig-Fan ist.

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