Kochbücher aus München:Anbraten oder nicht - das ist die Frage

Zwischen Platzl und Tantris köcheln nicht wenige hochdekorierte Köche Schaumsüppchen und Sanddornsorbets. Heute: Schuhbecks Tafelspitz.

Karl Forster

Selbst bei der faulsten Kuh ist ein Körperteil fast immer in Bewegung: der Schwanz. Das liegt schon an den Fliegen, die es zu verscheuchen gilt. Und davon profitiert der Connaisseur, wenn er sich und seinen Lieben einen Tafelspitz zubereitet. Denn dieses Stück Fleisch ist zu Lebzeiten der Kuh für das Schwanzwedeln zuständig. Und weil es so viel zu tun hat, ist es durch und durch muskulös.

Kochbücher aus München: Natürlich hat Alfons "Fonsi" Schuhbeck den Tafelspitz im Repertoire.

Natürlich hat Alfons "Fonsi" Schuhbeck den Tafelspitz im Repertoire.

(Foto: Foto: Rumpf)

Nun hat natürlich auch unser aller Alfons "Fonsi" Schuhbeck den Tafelspitz im Repertoire, sowohl in seinem Standardwerk "Das bayrische Kochbuch" (mit fehlendem "e") aus den späten Achtzigern als auch in dem Werk "Meine bayerische Küche" (mit "e"), das 2007 mit der fünften Auflage unters Volk kam. Leider stürzt Schuhbeck jene, die beide Kochbücher gerne benutzen, beim Tafelspitz in eine markante Sinnkrise, denn die wichtigste aller Tafelspitzfragen findet hier zwei gegensätzliche Antworten: die Frage "anbraten oder nicht"?

Im Urwerk schreibt Schuhbeck, damals noch Koch zu Waging am See: "Die Knochen mit kochend heißem Wasser und abgetropft in einem Topf mit etwa 2 1/2 Liter kaltem leicht gesalzenem Wasser bedecken. Zum Kochen bringen und das Fleisch hineinlegen."

Ganz anders hingegen die Anweisung im neueren Oevre: "Für den Tafelspitz das Öl in einem Bräter erhitzen und das Fleisch darin bei mittlerer Hitze rundherum anbraten." Also, Fonsi, was soll denn das? Nachdenken hilft, wie so oft, auch hier. Was zeichnet einen Tafelspitz aus? Erstens ist er zart und saftig, zweitens gibt es bei der Zubereitung eine feine Suppe. Beides entsteht durch eine Art osmotischer Reaktion: Flüssigkeit tritt aus dem Fleisch aus - und ein.

Das geht aber nur, wenn dessen Poren offen sind. Daraus folgt: Wird der Tafelspitz gesotten, verschone man ihn vor der letzten Ölung. Das wird sicher auch Alfons Schuhbeck einsehen, der ja gerne mit seinem theoretischen Wissen hausieren geht, sei es über ätherische Öle, die Wirkung der Ingwerwurzel oder darüber, wann eine Soße bindet.

Nur bei der Formulierung manchen Rezepts sind ihm, dem Hallodri vom Platzl, ein paar Ungenauigkeiten unterlaufen. Beim Breznknödel zum Beispiel: Er lässt ihn (in beiden Büchern) "in leicht siedendem Wasser" 30 Minuten garen. Die Zeit stimmt schon, nur sollte man das Wasser lieber richtig sprudeln lassen, sonst wird der Knödelteig nicht fest. Dieser Knödel passt übrigens gar nicht so schlecht zum Tafelspitz, aber eher doch zum Gulasch, für welchselbiges auch die Tafelspitzerkenntnis gilt: nicht anbraten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wer einen perfekten Tafelspitz will, sollte eigentlich keinen Tafelspitz kaufen, sondern das sogenannte Bürgermeisterstück. Es liegt in etwa zwischen Filet und Schwanzwurzel und ist etwas kräftiger und auch als Braten prächtig geeignet. Da gilt dann aber: unbedingt anbraten. Da hat auch Schuhbeck, ob alt oder jung, nichts dagegen.

Alfons Schuhbeck: Meine bayerische Küche. Zabert Sandmann Verlag 2007. 24,80 Euro.

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