Koalitionsgespräche in München:Letzter Anlauf für Schwarz-Rot-Grün

Koalitionsgespräche in München: Schmid, Reiter, Nallinger: Auf Wunsch der Grünen sollen sich die drei doch noch ein Mal an einen Tisch setzen

Schmid, Reiter, Nallinger: Auf Wunsch der Grünen sollen sich die drei doch noch ein Mal an einen Tisch setzen

(Foto: Stephan Rumpf)

Unerwartete Wende bei der Suche nach einer neuen Rathauskoalition in München: Eigentlich sollten zwei Parteitage am Montag über ein Bündnis der SPD mit der CSU abstimmen. Doch nun kommen die Grünen noch einmal ins Spiel.

Von Nina Bovensiepen und Kassian Stroh

Sechs Tage nach dem Scheitern der Koalitionsgespräche von CSU, SPD und Grünen wird es an diesem Montag einen Wiederbelebungsversuch geben, den mutmaßlich letzten. Auf Wunsch von Sabine Nallinger, die für die Grünen als Oberbürgermeister-Kandidatin angetreten war, werden sich die drei Parteien am Vormittag noch einmal zusammensetzen. Offenbar wollen die Grünen ein Angebot machen, um das Dreierbündnis zu retten. Das ist eine unerwartete Wende in der seit mehreren Wochen währenden Suche nach einem Rathaus-Bündnis.

Es stehe zu viel auf dem Spiel, um es nicht noch einmal zu versuchen, sagte Nallinger am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Die SPD stimmte dem Vorgehen am Nachmittag zu: "Wir verweigern uns keinem Gesprächswunsch", sagte der Münchner SPD-Chef Hans-Ulrich Pfaffmann. Daraufhin lud Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die CSU ein. Deren Fraktionschef Josef Schmid sagte zu, aus "Verantwortungsbewusstsein für die Stadt". Er klagte aber, die "Vertrauenswürdigkeit der Grünen" habe stark gelitten.

Bei SPD und CSU rumort es an der Basis

Zwar waren die Verhandlungen der drei Parteien in der vergangenen Woche weit gediehen, ein gemeinsames inhaltliches Papier lag vor, doch dann wurden die Gespräche am Dienstag abgebrochen. Sie hatten sich an Personalien verhakt - konkret an der Frage, ob die CSU den künftigen Kreisverwaltungsreferenten vorschlagen darf oder ob dieser Posten parteipolitisch neutral besetzt werden soll. Die Spitzen von SPD und CSU beschlossen daraufhin, eine Zusammenarbeit auf Basis des gemeinsamen Papiers auch ohne die Grünen einzugehen. Zusammen haben die beiden Fraktionen im Stadtrat eine Mehrheit, anders als eine rot-grüne Koalition. Am Montagabend sollten Parteitage von CSU und SPD über das Bündnis entscheiden.

Doch bei der SPD wie bei den Grünen rebelliert die Parteibasis, die an der rot-grünen Zusammenarbeit hängt. Bei den Sozialdemokraten meldeten sich am Wochenende reihenweise Stimmen, die ankündigten, Schwarz-Rot abzulehnen. Der SPD-Ortsverein (OV) Forstenried goss das sogar in einen Vorstandsbeschluss. Insbesondere vermisse man ein Bekenntnis, den sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbau zu fördern, sowie ein eindeutiges Eintreten gegen Neonazis, heißt es darin. Themen wie Gleichstellung, Migration und Vielfalt sowie Ökologie würden in dem Papier unzureichend angesprochen.

"Ich befürchte, dass die wenigen, die uns gewählt haben, uns auch noch abspringen", sagte OV-Chef Hans Jürgen Gerhards. Mehrere weitere Ortsvorsitzende erklärten der SZ, sie befürworteten eine Fortsetzung von Rot-Grün: "Es wird schwierig mit einer Minderheitsregierung, das ist klar", sagte etwa die SPD-Vorsitzende in der Isarvorstadt, Beate Bidjanbeg. "Aber es nutzt auch nichts, wenn die Mehrheit in die falsche Richtung läuft." Das sei die klare Tendenz in ihrem Ortsverein.

Auch Nallinger von den Grünen räumt Fehler ein

Auch der frühere Münchner Sozialreferent Frieder Graffe sprach von einer "ganz zentralen Weichenstellung" für seine Partei: "Eine soziale und ökologische Politik kann ich mir nicht vorstellen mit der CSU." Zudem gefährde die SPD ihre Glaubwürdigkeit, da sie im Wahlkampf für Rot-Grün geworben habe. "Man kann das doch nicht einfach ad acta legen und nahtlos überschwenken." In einer internen E-Mail wirft der frühere SPD-Landesgeschäftsführer Hans-Peter Adler den Münchner Spitzengenossen vor, die Partei zu ruinieren.

Auch bei den Grünen ist der Aufruhr groß, weshalb Nallinger für einen neuerlichen Anlauf wirbt. "Man kann doch dieses historische rot-grüne Bündnis nicht einfach so in die Tonne treten", sagte sie. Bei den Wählern komme dies so an, als ob die SPD bei der Stichwahl zwischen Reiter und Schmid gerne die Unterstützung der Grünen angenommen habe, "um dann zu sagen, schleicht Euch". Die Grünenspitze bekommt von ihren Wählern auch den Vorwurf zu hören, dass sie wegen des Pokers um Posten aus den Gesprächen ausgestiegen sei. Dies sei so nicht korrekt, sagt Nallinger. "Die Verhandlungen sind geendet, als noch über Lösungen diskutiert wurde."

Sie räumt aber ein, dass alle beteiligten Parteien am Scheitern der Koalitionsgespräche beteiligt waren. Es habe Missverständnisse und Missstimmungen gegeben, "da hat vielleicht der eine oder die andere überreagiert". Letztlich seien die Verhandlungen dann mehr an der Atmosphäre als an Inhalten gescheitert. Deshalb lohne es sich, die Gespräche neu zu beleben. "Hier geht es doch nicht um Förmchen im Sandkasten, sondern um die Zukunft der Stadt", sagte die Grüne.

Was auch immer das Dreiertreffen am Montag bringe, der SPD-Parteitag am Abend werde stattfinden, kündigte Pfaffmann an. Bei diesem, so die allgemeine Einschätzung in der SPD, dürften insbesondere das Auftreten und die Argumentation Reiters entscheidend sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: