Knigge zu Fasching:"Führen Sie die Dame nicht am Po"

Das falsche Ballkleid, Schneuzen am Tisch und Griffe an den Po - ein Gespräch mit dem Benimmtrainer Schmidt über Fehltritte im Fasching.

Michael Ruhland

Beim Kennenlernen entscheiden die ersten sieben Sekunden, welcher Eindruck haften bleibt, sagen Wissenschaftler. Alfred F. Schmidt, 45, nutzt die Erkenntnis für seine Benimmseminare. Der Diplom-Kaufmann berät aber nicht nur Berufseinsteiger und Banker, sondern steht auch den Debütantinnen beim Chrysanthemenball zur Seite. Sie haben an diesem Donnerstag im Bayerischen Hof (20 Uhr) ihren großen Auftritt. Gutes Benehmen, sagt Schmidt, ist eine Lebensphilosophie.

Knigge zu Fasching: Alfred F. Schmidt, 45, berät Berufseinsteiger, Banker und steht den Debütantinnen beim Chrysanthemenball zur Seite.

Alfred F. Schmidt, 45, berät Berufseinsteiger, Banker und steht den Debütantinnen beim Chrysanthemenball zur Seite.

(Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

Süddeutsche Zeitung: Was ist der schlimmste Fauxpas, der einer Debütantin passieren kann?

Schmidt: Wenn sie das falsche Kleid anhätte. Es muss weiß sein und darf zum Beispiel keine Spaghetti-Träger haben oder gar schulterfrei sein. Manchmal muss man die jungen Damen zügeln, dass sie nicht zu freizügig erscheinen.

SZ: Und welchen Missgriff kann der männliche Begleiter tun?

Schmidt: Es wäre schlecht, wenn er seinen Frack vergäße. Schlimm wäre es auch, wenn er die Reihenfolge nicht mehr wüsste, wie er tanzen muss.

SZ: Peinlichkeiten lauern viele, gerade zu Tische. Angenommen, man muss in feiner Gesellschaft schneuzen. Aufstehen und sich entschuldigen, oder einfach nur wegdrehen?

Schmidt: Wenn die Erkältung stärker ist, lautet meine Empfehlung: daheim bleiben. Mit ständig laufender Nase am Tisch zu sitzen, ist nicht sehr angenehm. Wenn die Nase vom heißen Essen läuft, dann würde ich nicht das Taschentuch nehmen (das in der linken Tasche steckt, weil ich mit der Rechten die Hand geben muss und ich jemanden anstecken könnte), sondern den Rand der Serviette und so tun, als trocknete ich mir den Mund. So merkt es keiner.

SZ: Was tun, wenn man richtig schneuzen muss?

Schmidt: Während der Gänge eines Essens muss ich sitzenbleiben. Sich entschuldigen, geht also nicht. Es gibt aber ein Schneuzen und ein Trompeten. Man muss es so dezent wie möglich tun.

SZ: Darf ich als Mann ablehnen, wenn eine Dame mich zum Tanz bittet?

Schmidt: Nein, das wäre sehr peinlich für die Dame. Ich würde niemals ablehnen, ganz unabhängig von meinem Tanzkönnen, und mich darüber freuen, dass ich aufgefordert worden bin.

SZ: Und umgekehrt. Wie reagieren, wenn man einen Korb bekommt?

Schmidt: Ich habe in meinem virtuellen Keller schon viele Körbe stehen. Meistens reagiere ich mit einem höflichen: "Dann vielleicht beim nächsten Tanz".

SZ: Kaiser- und Chrysanthemenball, Soiree - im Fasching sind Bälle mit Benimmkodex gefragt. Stellen Sie eine Renaissance des guten Benehmens fest?

Schmidt: Auf den Bällen gab es das gute Benehmen ja immer schon. Auch Benimmseminare gab es schon vor zwanzig Jahren. In der Stadtsparkasse München zum Beispiel war das immer schon Thema. Es gibt aber schon einen Trend: Viele Leute wissen nur noch wenig über gutes Benehmen, und deshalb ist das Interesse an Benimmseminaren größer geworden. Gerade in der Geschäftswelt.

SZ: Ist gutes Benehmen so einfach erlernbar oder nicht doch eine Frage des Elternhauses und der Erziehung?

Schmidt: Es ist erlernbar. Ich bin mir sicher, wenn ich Ihnen einmal sage, wie Sie die Kartoffel schneiden müssen oder können, dann werden Sie es so machen.

Im zweiten Abschnitt: Woher das Wort "Etikette" stammt und eine Antwort auf die Frage, ob Alkohol eine Entschuldigung ist.

"Führen Sie die Dame nicht am Po"

SZ: Wie einen Knödel?

Schmidt: Genau, wenn ich die Kartoffel schneide, habe ich eine glatte Oberfläche. Ziehe ich sie dann kurz durch die Soße, nimmt sie weniger auf. Breche ich sie mit der Gabel, hat sie eine wellige Oberfläche und kann mehr Soße aufnehmen. Wenn Sie einmal Gefallen an gutem Benehmen gefunden haben, fühlen Sie sich in vielen Lebenslagen sicherer.

SZ: Die Kurfürsten in München haben sich Lustschlösschen in den Nymphenburger Park gebaut, um die strenge Etikette am Hofe zu umgehen. Es lebt sich doch offensichtlich leichter ohne.

Schmidt: Das Wort Etikette stammt vom Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV., der überall Etiketten hinklebte, damit man wusste, was man zu tun hat. Vielleicht wollten die Fürsten dem allzu steifen Umgang miteinander entfliehen. Anders gesagt: Ich kann auch in der Jeans höflich sein. Respekt und Achtung vor meinem Gegenüber ist etwas anderes als Etikette. Und gutes Benehmen kann man eigentlich nicht einfach ablegen.

SZ: Der Fasching ist für viele die ideale Gelegenheit zum Anbandeln. Ein Benimmkodex ist dabei beim besten Willen nicht zu erkennen. Sie als Benimmtrainer muss das doch im Innersten treffen.

Schmidt: Schlechtes Benehmen fällt mir in der Tat sofort auf. Aber ich brauche ja auch Stoff für meine Seminare. Ich bin aber nicht dazu da, allen Menschen gutes Benehmen beizubringen. Wenn welche meinen, sie sind glücklich damit, dass sie der Dame flegelhaft entgegen gehen, stört mich das zwar. Ich gehe aber nicht hin und sage: "Bitte führen Sie die Dame beim Tanzen nicht am Po, sondern an der Schulter."

SZ: Ist Alkohol eine Entschuldigung?

Schmidt: Ich kann nicht, nur weil ich Alkohol getrunken habe, der ungehobelte Büffel werden. Ich werde vielleicht ein wenig lockerer und die Dame noch charmanter umgarnen.

SZ: Ovid hat in seinem Werk Ars Amatoria Anleitungen gegeben, wie man sich einer Dame im Circus Maximus beim Pferderennen stilvoll nähert. Gibt Adolph Freiherr von Knigge für einen Flirt auf einem Ball etwas her...

Schmidt: Freiherr von Knigge hat sich nicht direkt zum Flirten geäußert, wohl aber zum Tanz. Im 12. Kapitel des 2. Buches "Über den Umgang mit Menschen" schreibt er: "Wenn das Blut in Wallung kommt, so ist die Vernunft nicht mehr Meister der Sinnlichkeit; verschiedene Arten von Temperamentsfehlern werden dann offenbar. Man sei also auf seiner Hut! Der Tanz versetzt uns in eine Art von Rausch, in welchem die Gemüter die Verstellung vergessen. Wohl dem, der nichts zu verbergen hat! Anständigkeitsregeln beim Tanze übergehe ich hier. Wer Erziehung hat, bedarf deren nicht, und weiß zum Beispiel, daß man sich nicht vordrängen und Damen nicht plump angreifen, drücken und herumreißen darf (...)"

SZ: Eine Lebensweisheit besagt: Frechheit siegt. Was hält der Benimmtrainer dagegen?

Schmidt: Nichts Generelles. Ich kann ja auch stilvoll frech sein. Wenn ich auf einem Ball zu meiner Dame sage: "Ich würde Sie wahnsinnig gerne noch mit dem Taxi nach Hause begleiten", wird sie schon sagen, wenn sie das nicht möchte. Umgekehrt darf sie im Jahr 2009 auch sagen, dass sie sich freuen würde, wenn ich sie nach Hause begleite.

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