Kneipen: Auswirkung des Rauchverbots:Nichtrauchen kann tödlich sein

Seit neun Monaten darf in Bayerns Lokalen nicht mehr gequalmt werden - mit teilweise dramatischen Folgen. Einige Wirte kämpfen um die Existenz. Eine Kneipentour durch München.

Elisabeth Schmidt

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Volksentscheid Nichtraucherschutz Bayern

Quelle: dpa

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Seit neun Monaten heißt es in bayerischen Gaststätten: Glimmstängel aus! Viele Kneipengänger begrüßen das Rauchverbot - kommen sie seither ohne Nikotin-Aroma in Kleidung und Lunge nach Hause. Vielen Wirten bereitet der Qualmstopp aber finanzielle Probleme. Besonders hart trifft es laut Bayerischem Hotel- und Gaststättenverband (BHG) kleine Eckkneipen. Diese hätten mittlerweile Umsatzeinbußen von sechs Prozent. In der Gastronomie insgesamt seien die Einnahmen um zwei Prozent zurückgegangen - für den BHG eine beunruhigende Tendenz. Jetzt soll in einer Studie den Auswirkungen des Rauchverbots auf die Umsätze in der Gastronomie auf den Grund gegangen werden. Wir haben uns vorab in  Münchner Kneipen umgehört.

Kneipen München, Auswirkungen des Rauchverbots, Ungewitter, Arcissstraße, 19.4.2011

Quelle: Elisabeth Schmidt

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Not macht erfinderisch: Im Ungewitter in der Arcisstraße stecken sich Wirtin Charlotte und Stammgast "Adi" Frank eine elektrische Zigarette an (Bild). Liebe zum Detail ist Charlottes Markenzeichen und zeigt sich auch in der kleinen Kneipe: verzierte Gläser, Lichterketten, Stars und Sternchen aus mehreren Jahrzehnten an der Wand. Sogar eine Bierbank und zwei Steinaschenbecher, die mit Rosenblüten bedeckt sind, hat Charlotte vor der Boazn aufgestellt - die Umsätze sind seit dem Rauchverbot trotzdem um 30 Prozent zurückgegangen. "Ab Ende April beginnt die saure Gurkenzeit für mich", klagt die Wirtin, "die Raucher gehen dann lieber in den Biergarten." Mit Sorge beobachtet Charlotte auch, dass in den vergangenen Monaten in der näheren Umgebung vier Eckkneipen geschlossen haben. "Sollen sie doch in den großen Kneipen das Rauchen verbieten und die kleinen machen lassen", fordert die Wirtin.

Kneipen München, Auswirkungen des Rauchverbots, Augustin's, Nordendstraße, 19.4.2011

Quelle: Elisabeth Schmidt

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Wenn man Hans Kandler (im Bild rechts) nach den Auswirkungen des Rauchverbots fragt, seufzt er erst einmal schwer. "Es ist Frustration pur. Wir haben fast ausschließlich Stammgäste - neun von zehn sind Raucher. Es nervt die Leute einfach, wenn sie wie dressierte Hunde vor die Tür gehen müssen." Im Augustin's, einer kleinen Eckkneipe an der Nordendstraße, ist es seit Inkrafttreten des Rauchverbots mit der Gemütlichkeit vorbei. Geschäftsführer Hans Kandler verzeichnet Umsatzeinbußen von 30 bis 40 Prozent. "Die Verweildauer der Gäste nimmt ab. Oft bleibt es bei einem Getränk." Schuld sei das Rauchverbot in seiner Kneipe, in der oft gewürfelt und gekartelt wird: "Wenn Einzelne raus müssen, sprengt das jede Runde und die Stimmung sinkt", klagt der Geschäftsführer.

Kneipen München, Auswirkungen des Rauchverbots, Alter Simpl, Türkenstraße, 19.4.2011

Quelle: Elisabeth Schmidt

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Hier ist das Glas mehr als halb voll: Seit dem Rauchverbot ist das Tagesgeschäft im Alten Simpl um 50 bis sogar 100 Prozent gestiegen, erzählt Axel Seidel (im Bild). Seit 16 Jahren arbeitet er in der Traditionsschenke in der Türkenstraße, die früher eines der Künstler-Treffs in München war. Neben den Stammgästen und den zahlreichen Studenten kommen seit dem Rauchverbot auch viele Familien mit Kindern. "Manchmal haben wir hier drei Kinderwägen stehen. Dann haben wir neuerdings vier ältere Damen - die wären früher nicht reingekommen." Was mit dem Qualm im Simpl auch ausbleibt, sind allerdings die typischen Genussraucher, die Leute, die von der Arbeit kommen und ihren Absacker trinken wollen. Das Abendgeschäft sei durch das Rauchverbot im Simpl deshalb nicht besser geworden, schlechter aber auch nicht.

Kneipen München, Auswirkungen des Rauchverbots, Schall und Rauch, Schellingstraße, 19.4.2011

Quelle: Elisabeth Schmidt

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Viel Schall, kein Rauch - den überwiegend studentischen Gästen macht das Rauchverbot scheinbar nicht viel aus. Zumindest hat das Personal im Schall & Rauch in der Schellingstraße nicht feststellen müssen, dass die Gästezahl abnimmt. Alles wie eh und je, erzählt Philipp Schlick (im Bild), der seit gut zwei Jahren im Schall regelmäßig hinter der Bar steht: "Wenn es schön draußen ist, dann machen wir die Schiebetüren auf. Die Raucher sitzen dann vor dem Lokal. Von den Gästen drinnen hat sich bisher noch niemand beschwert, dass Rauch reingezogen wäre." Der Türsteher, den es schon vor dem Rauchverbot gab, sorgt vor dem Schall jetzt verstärkt für Ruhe. Abgesehen von wenigen Anwohnerbeschwerden hätte es aber keine ernsthaften Interessenkonflikte gegeben, erzählt Schlick.

Du und I

Quelle: Helena Schwarzenbeck

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Verhaltenes Lächeln im Du & I: Um 40 Prozent sind die Einnahmen seit dem Rauchverbot laut Geschäftsführer Andreas Steinkohl zurückgegangen. Im Du & I, das früher einer der ersten Raucherklubs in München war, sind 98 Prozent der Kunden Stammgäste. Fast alle davon Raucher. Oft bekommt Andreas Steinkohl zu hören: "Wenn i ned rauchen ko, geh i hoam!" Besonders schlimm sei es, wenn es regnet. Sogar eine 1500 Euro teure Markise hat das Du & I investiert, um es den Rauchern vor der Tür angenehmer zu machen - viel hat es nichts genützt. "Ein richtiges Problem sind unbekannte Gäste", klagt der Geschäftsführer, "die trinken oft einen Whisky, tun als ob sie raus zum Rauchen gehen wollen - und zahlen ihr Getränk nicht."

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Quelle: Robert Haas

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Das Konzept für die Rheinpfalz in der Kurfürstenstraße in Schwabing lautet: "Bloß nichts ändern." Und das hat fast 40 Jahre lang funktioniert - bis das Rauchverbot in Kraft trat. Seitdem habe er Umsatzeinbußen von 20 bis 30 Prozent, schätzt Wirt Hans Karp (auf dem Foto links), den alle nur Hänsel nennen. Jeden Abend muss er nun sechs bis acht Mal vor die Tür, viele seiner Gäste zieht es noch öfter nach draußen. Skatrunden im Lokal wurden von drei auf vier Spieler erweitert, weil einer sowieso immer beim Rauchen sei und sie sonst gar nicht zum Spielen kämen. Ans Aufhören denkt Hänsel dennoch nicht - vor allem wegen seiner Angestellten. "Die bappen doch an ihrem Job", meint Hänsel. Die Rheinpfalz einfach zumachen, das würde ohnehin nicht gehen. Denn dann würden Freundschaften kaputtgehen, eine große Familie zerbrechen.  

© sueddeutsche.de/Elisabeth Schmidt
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