Klinikum rechts der Isar:Lebensretter sucht Ohren

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Die kleinen Ohrstöpsel sollen den Gesundheitszustand des Patienten an die Klinik übermitteln. (Foto: Andreas Heddergott)

Datenschutz bremst Corona-Studie mit kleinen Sensoren aus

Von Stephan Handel

Ende April, da war Georg Schmidt noch guter Dinge: "Diese Studie wird Leben retten", jubelte der Oberarzt am Klinikum rechts der Isar. Für sein Projekt "Telecovid" sollten an Covid-19 erkrankte Patienten, die sich zu Hause in Quarantäne befinden, mittels eines Ohrsensors überwacht werden. Die Idee dahinter: Schneller sollte erkannt werden können, wenn sich der Gesamtzustand eines Patienten verschlechtert, damit er früher in klinische Behandlung kommt. Dadurch sollte sich seine Chance auf wirksame Behandlung erhöhen. Nun aber, vier Wochen später, ist Schmidt nicht mehr ganz so optimistisch. Sein Problem: Er bekommt nicht genügend Patienten, die sich - freiwillig - bereit erklären, an der Studie teilzunehmen.

Das liegt zum einen daran, dass die Infizierten-Zahlen in München und in Bayern stetig sinken - und damit auch der Anteil betroffener Menschen über 60 Jahre, sie sollten für das Projekt angesprochen werden. "Günstig für das Land, ungünstig für die Studie", meint Schmidt dazu.

Einen zweiten Grund für den mangelnden Rücklauf sieht der Mediziner in der Methode, mit der potenzielle Teilnehmer auf die Studie aufmerksam gemacht werden. Er hat sich dafür mit dem Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) der Stadt zusammengetan, wo die Meldungen über Neuinfektionen zusammenlaufen. Von dort bekommen alle Neu-Patienten eine Vielzahl von Informationen, wie sie sich verhalten sollen - und eben auch ein einseitiges Schreiben mit dem nüchternen Titel "Studienteilnehmer*innen für die Erforschung des Corona-Virus gesucht".

Das nun finden Schmidt und seine Mitstreiter unter Marketing-Gesichtspunkten deutlich unterverkauft: "Man müsste mehr herausstellen, dass die Teilnehmer für sich einen Nutzen ziehen, der ihnen vielleicht sogar das Leben rettet. Die Erkenntnisse für uns Wissenschaftler sind dabei eher ein Nebeneffekt." Schmidt zeigt ein Empfehlungsschreiben von Andreas Zapf, dem Präsidenten des Landesamts für Gesundheit: Dort wird der Patient tatsächlich direkt angesprochen, es wird ihm erklärt, warum es für ihn vorteilhaft ist, an der Studie teilzunehmen. Der Brief schließt mit dem eindringlichen Appell: "Bitte melden Sie sich an!"

Am liebsten wäre es Georg Schmidt ja, wenn er seine Zielgruppe direkt kontaktieren könnte - das aber, sagt das RGU, sei aus Gründen des Datenschutzes nicht möglich: "Unsere Juristen haben das geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir nicht einfach Telefonnummern von Patienten weitergeben können", sagt eine Sprecherin. Das Schreiben, das zur Teilnahme an der Studie ermuntern soll, wurde seit Ende April an 317 Patienten verschickt, die den Kriterien entsprachen. Der Rücklauf davon betrug: exakt null.

Um aussagekräftige Ergebnisse liefern zu können, wären mindestens 1200 Teilnehmer nötig. Im Moment tragen gerade mal 50 Patienten den Ohrstöpsel von der Größe eines Hörgeräts, sie hat das Rechts der Isar selbst gefunden. Die Studie an sich stößt in der Fachwelt durchaus auf Interesse - so haben sich mittlerweile die Charité in Berlin sowie die Unikliniken in Heidelberg, Göttingen und Hannover angeschlossen.

Georg Schmidt hofft nun, dass sich interessierte Patienten direkt bei ihm melden (089/ 41 40- 85 85). Voraussetzungen: über 60 Jahre alt, aktuell mit Corona infiziert und in häuslicher Quarantäne. Denn dass der kleine Ohrsensor Todesopfer verhindern kann, davon ist er nach wie vor überzeugt.

© SZ vom 28.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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