Klinikum Rechts der Isar:Chefarzt unter Vorbehalt

Neuer Verdacht bei Organvergaben

Das Klinikum rechts der Isar hat immer noch mit den Folgen des Transplantationsskandals zu kämpfen.

(Foto: dpa)

Für die Leitung des Klinikums Rechts der Isar ist es ein Alptraum: Der Chefarzt der Chirurgie hat erfolgreich gegen seine Kündigung geklagt - und kehrt zurück. Ob er bleiben kann, ist unklar.

Von Sebastian Krass und Christina Berndt

Für die Leitung des Klinikums rechts der Isar ist es ein Alptraum. Für den Arzt und seine Unterstützer ist es ein Tag der Freude: An diesem Dienstag kehrt der vor gut einem Jahr fristlos gekündigte Chefarzt und Direktor der chirurgischen Klinik, Professor F., in seine Funktion zurück. Die Entscheidung sei "nach Abstimmung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat" gefallen, bestätigte eine Sprecherin des Rechts der Isar. Ende Mai hatte das Arbeitsgericht München die Kündigung für unwirksam erklärt.

Besonders brisant wird die Rückkehr dadurch, dass F. Chefarzt unter Vorbehalt ist. Denn der Vorstand des Rechts der Isar lässt offen, ob er Rechtsmittel gegen das Gerichtsurteil einlegt. Man warte die schriftliche Urteilsbegründung ab und werde "anschließend über das weitere Vorgehen entscheiden", erklärt die Sprecherin. Ursprünglich sollte bis zu dieser Entscheidung der kommissarische Leiter der Chirurgie weiter die Verantwortung tragen. Nun gab es offenbar einen Sinneswandel, und F. darf doch schon zurück.

Persönliches Zerwürfnis

Begonnen hatte das juristische Tauziehen im Februar 2013, als das Rechts der Isar wegen des Skandals um Manipulationen bei Lebertransplantationen unter gewaltigem Druck stand. Auch Mitarbeiter der chirurgischen Klinik sollen daran beteiligt gewesen sein, die Staatsanwaltschaft ermittelt noch. Damals sprach der Klinikvorstand die fristlose Kündigung gegen F. aus. Der Vorwurf: Der Chef-Chirurg habe sich nicht ausreichend um die Klärung der Vorwürfe gekümmert. Eine direkte Beteiligung an den Manipulationen war F. nie vorgeworfen worden.

F. klagte gegen den Rausschmiss. Vor Gericht machte er geltend, er habe den Vorstandschef des Rechts der Isar, den Ärztlichen Direktor Reiner Gradinger, informiert. Es sei Gradinger gewesen, der die internen Ermittlungen schließlich eingestellt habe. Das Gericht fällte nach einem mehr als ein Jahr währenden Prozess das Urteil, dass die Kündigung arbeitsrechtlich nicht zu halten sei. Allerdings hatte das Gericht nicht zu entscheiden, inwieweit F. als Chef letztlich doch eine Mitverantwortung für das trug, was in seiner Abteilung geschah.

Die Auseinandersetzung vor Gericht zeugte auch von einem tief greifenden persönlichen Zerwürfnis auf oberster Ebene der Münchner Universitätsklinik. Ein Zerwürfnis, das kaum zu kitten sein dürfte. Aus F.s Lager heißt es zwar, Gespräche mit dem Vorstand über die künftige Zusammenarbeit seien "sachlich" abgelaufen. F. selbst äußert sich derzeit nicht öffentlich. Aber sowohl der Klinikvorstand als auch der Aufsichtsratschef, der bayerische Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU), vermeiden jedes noch so vorsichtige Bekenntnis zu F. Wie groß ihr Vertrauen in den Chef der Chirurgie ist? Welche Rolle er künftig spielen soll? Ob sie um das Ansehen dieser Kernabteilung und damit des Rechts der Isar insgesamt fürchten? All diese Fragen bleiben unbeantwortet.

Ein Vergleich kam nie in Frage

Fast immer enden derart verfahrene arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen mit einem Vergleich. Doch das kam für F. bisher nicht in Frage. Es gebe in Deutschland nur 33 Chefarztposten für Chirurgen in Unikliniken, erzählte sein Anwalt einmal. Wenn F. ohne Rehabilitation das Rechts der Isar verlassen hätte, wäre seine Uni-Karriere vorbei gewesen. Deshalb kam eine "einvernehmliche Trennung" für ihn nicht in Frage. F. hat mit vollem Einsatz gespielt - und einstweilen gewonnen.

In der chirurgischen Klinik ist die Stimmung vor der Rückkehr des alten Chefs zwiegespalten. Seit langem geht ein Riss durch die Belegschaft. Als F. am Rechts der Isar anfing, brachte er fast 20 Mitarbeiter aus seinem vorigen Schaffensort Heidelberg mit. "Die Heidelberger" blieben eine Clique für sich, viele altgediente Münchner Chirurgen wurden nicht integriert. Die Heidelberger hätten immer eine Vorbesprechung untereinander geführt, bevor sie dann in hierarchischer Ordnung in die allgemeine Morgenbesprechung "einmarschiert" seien, erzählen mehrere Ärzte. Auch seien die Münchner immer weniger an Operationen beteiligt worden - der Herzensangelegenheit jedes Chirurgen.

"Die Heidelberger"

Doch es gibt auch die anderen. Diejenigen, die die Rückkehr des Chefs herbeisehnen: "Es gibt wenige so kompetente Ordinarien für Chirurgie wie ihn", sagt ein langjähriger Mitarbeiter. Eine Kollegin hofft auf ein Ende des Konflikts: "Die letzten eineinhalb Jahre mit der Ungewissheit haben uns mürbe gemacht. Wir wollen wieder befreit arbeiten." Vor allem hoffen die Ärzte, dass die Patientenzahlen wieder steigen. Denn wie Mitarbeiter berichten, gab es seit der Kündigung des Chefarztes deutlich weniger Operationen als vorher - vor allem bei Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, F.s Spezialgebiet. Zwar habe dessen kommissarischer Vertreter gut gearbeitet. Aber die Hausärzte, die Patienten zur Operation überweisen, hätten sich schwer getan, "Passagiere auf ein kopfloses Schiff zu schicken", sagt ein Mitarbeiter.

Eine Erwartung haben F.s Unterstützer nun noch: "Der Vorstand muss erklären, wie es zu der Kündigung kam", sagt ein Chirurg. "Und sie müssen sich bei F. entschuldigen." Dass dies erfüllt wird, ist kaum zu erwarten. Die Krise am Rechts der Isar ist noch lang nicht ausgestanden.

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