Kliniken in München:Pflegenotstand trifft krebskranke Kinder

Haunersche Kinderklinik

Die Haunersche Kinderklinik in der Lindwurmstraße. Hier fehlt Personal - der Klinikchef spricht von einer "sehr angespannten" Situation.

(Foto: Verena Müller)

Weil im Kinderkrebszentrum Personal fehlt, müssen schwerstkranke Patienten zum Teil weitergeschickt werden. Von vier Spezialbetten kann nur die Hälfte belegt werden. Der Klinikchef spricht von einer "sehr angespannten" Situation.

Von Dietrich Mittler

Zwar gehört München zu den medizinisch am besten versorgten Städten Deutschlands, doch in einem besonders sensiblen Bereich klaffen offenbar große Lücken. Weil Pflegepersonal fehlt, können die Betten des Kinderkrebszentrums der Haunerschen Kinderklinik nicht voll belegt werden.

Kleine Patienten, denen nur noch eine Stammzell-Transplantation helfen kann, müssen zum Teil nach Tübingen oder Freiburg weitergeschickt werden. "Wir laufen Gefahr, dass krebskranke Kinder nicht mehr optimal behandelt werden können, weil es zu wenig Pflegende gibt", sagt Ernst Bauer, Vorsitzender der Elterninitiative "Intern 3", die das Kinderkrebszentrum im "Hauner" unterstützt.

"München-Zuschlag" für Pfleger

In einer Petition hat sich die Elterninitiative Anfang dieses Jahres deshalb an den Landtag gewandt. Die Situation hat sich seitdem nicht verbessert, doch immerhin liegt die Petition der Elterninitiative nun auch dem bayerischen Gesundheitsministerium vor. Die Pflege, so weiß Bauer, hat ein Image-Problem. Aber allein mit Image-Kampagnen sei das nicht zu lösen. Seine Forderung: Die Pflegekräfte des Kinderkrebszentrums müssten mehr Geld bekommen, um im teuren München ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Auch müssten für sie mehr Angebote geschaffen werden, die eigenen Kinder betreuen zu lassen.

Einen München-Zuschlag bekommen die Schwestern und Pfleger zwar mittlerweile, der Personalengpass besteht jedoch weiterhin. "Von den vier Spezialbetten zur Stammzellen-Transplantation konnten wegen des Pflegenotstandes über lange Zeit nur zwei betrieben werden", sagt Bauer. Aber damit nicht genug: Weitere vier von 17 Betten auf der onkologischen Station können aktuell nicht belegt werden, weil das Personal fehlt. "Können Sie sich vorstellen, dass Sie als Eltern mit Ihrem krebskranken Kind gesagt bekommen, dass nur noch eine Transplantation ihr Kind rettet. Doch dazu müssten Sie nun leider nach Tübingen oder Freiburg gehen", sagt Bauer.

In einer derart verzweifelten Situation wirke auch der Vorschlag, sich auf eine Warteliste setzen zu lassen, wie ein Schlag ins Gesicht. Bauer kennt die Gefühle verzweifelter Eltern aus eigener Erfahrung: 1989 erlebte er mit, wie sein damals 14-jähriger Sohn gegen die Metastasen im Körper nicht länger ankämpfen konnte.

"Die kranken Kinder haben keine Lobby"

Christoph Klein, der Direktor der Kinderklinik und Kinderpoliklinik, kann Bauers Einschätzung über die aktuellen Engpässe im Haunerschen nur bestätigen. "Es stimmt, dass wir Personalmangel zu beklagen haben - sowohl im ärztlichen als auch im pflegerischen Bereich", sagt er. Auf politischer Ebene werde zwar mittlerweile viel unternommen, um die finanzielle Benachteiligung der Kindermedizin zu thematisieren. "Aber noch hat sich nichts bewegt. Die kranken Kinder haben keine Lobby", sagt Klein.

Folglich stünden für "diese extrem wichtige Arbeit" viel zu wenige personelle und finanzielle Ressourcen bereit. Der Klinikchef hat folgende Rechnung parat: "300 Milliarden Euro und mehr fließen mittlerweile ins deutsche Gesundheitswesen. Wenn nur ein Bruchteil davon, also 0,1 Prozent, für kranke Kinder investiert würde, wären wir unserer finanziellen Probleme enthoben", sagt er.

Es trifft auch andere Kinderkrankenhäuser

Doch so läuft es eben nicht. Die Realität sieht anders aus: "In der Knochenmark-Transplantation müssen wir immer wieder mal aufgrund von Engpässen im Pflegebereich die Betten reduzieren", beschreibt Klein "die Nöte" im Haunerschen. Aber es trifft auch andere Kinderkrankenhäuser. Um das Pflegepersonal sei ein harter Wettbewerb entbrannt.

Universitätskliniken hätten da aufgrund der tarifrechtlichen Bedingungen besonders schlechte Voraussetzungen im Vergleich zu den privaten Krankenhäusern. "Wir haben ein massives Problem", sagt Klein, "die Verwaltungsdirektoren von Universitätskliniken sind angesichts der finanziellen Notlage gezwungen, die Personalausstattung auf ein äußerstes Minimum zu reduzieren." Für die Mitarbeiter sei das sehr frustrierend.

Ernst Bauer will sich dadurch nicht ins Bockshorn jagen lassen. Es sei nicht hinnehmbar, dass seit Monaten zugesagte Planstellen in der Pflege nicht mehr besetzt werden können und dadurch "Defizite in der Basis-Versorgung der Kinder eintreten". Notfalls sei die Elterninitiative auch bereit, mit Hilfe von Sponsoren weitere Mittel beizusteuern. Das ist, so sagt Bauer, gut angelegtes Geld: "Das Kinderkrebszentrum München ist mit den weit mehr als hundert neuerkrankten Kindern pro Jahr eines der größten in Deutschland." Die Heilungschancen seien heute viel höher als früher. "Wir können 80 Prozent der Kinder dauerhaft heilen", bestätigt Klinikchef Klein.

Im Moment aber sei die Situation "sehr angespannt". "Wir können aktuell die Betreuung schwerstkranker Kinder mit Krebs nur deshalb aufrecht erhalten, weil wir glücklicherweise Mitarbeiter haben, die sich mit einer großen Hingabe ihrer Aufgabe widmen", sagt Klein. Doch Ernst Bauer weiß aus vielen Gesprächen, wie es im Innern dieser Menschen aussieht: "Wie geht es wohl jemandem, der zehn Kinder die Türe öffnen sieht und weiß, dass zwei von ihnen die Klinik nicht mehr lebend verlassen werden?", fragt er.

Schon bisher hat der Verein "Intern 3" viel auf die Beine gestellt: zum Beispiel hat er die Gründung der Tagesklinik für krebskranke Kinder angeschoben. Sie sponsert auch Fortbildungen, zahlt Löhne für Fachleute mit, die das Kinderkrebszentrum der LMU dringend braucht, derzeit aber aus eigenen Mitteln nicht zahlen kann. Voraussichtlich 450 000 Euro wird der Verein in diesem Jahr zuschießen, um Stellen zu refinanzieren.

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