Süddeutsche Zeitung

Das ist schön:Die alte Protestmasche aufnehmen

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Stricken oder Häkeln statt Kleben: Eine sanftere Protestform tut gut in der aufgeheizten Klima-Debatte. Immer mehr Studierende in München zücken kollektiv die Nadeln.

Von Magdalena Zumbusch

Seit "Fridays for Future" hört man davon: Das Stricken steht mit auf der Liste der Klimaaktionen, wenn auch am zahmen Ende der Protestskala. Wer an Münchner Unis ein- und ausgeht, kann Klimastrickenden begegnen. Und Zeitschriften erklären, wie man den von hellen Blautönen an einem Ende - für Zeiten mit noch unbedenklichen Klimawerten - zu alarmierend-knalligen Rottönen changierenden Klimaschal - für die aktuelle Zeit - strickt. Der Schal soll als Zeichen des Protests getragen werden, in erster Linie aber vor den Augen möglichst vieler gestrickt werden.

Den Akt des Strickens politisch aufzuladen, ist keine neue Idee: Häkelnde und Strickende, die damit ein Statement setzen wollten, gab es immer wieder. Aus seiner Rolle als häusliche Beschäftigung der Frau löste das Stricken und Häkeln die 68er-Bewegung. Um der Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit Nachdruck zu verleihen, strickte man nicht mehr allein daheim, sondern mit anderen, in der Öffentlichkeit. Und auch wichtig: Männer strickten mit und sorgten damit für Empörung. In jüngerer Zeit verbindet das soziale Netzwerk "Ravelry" in den USA - auch politische - Gruppen durch kollektive Strickaktionen.

Vor ein paar Jahren sorgte dort das "Pussyhat Project" für Aufsehen: Die Amerikanerinnen Jayna Zweiman und Krista Suh riefen im Netz zum Stricken der "Pussyhats" auf, um ein Zeichen gegen Trumps frauenfeindliche Rhetorik zu setzen. Hunderttausende verwandelten Trumps Amtseinführung mit einem Meer aus rosa Strickmützen in eine Protestkundgebung.

Im Gegensatz zum Letzte-Generation-Aktivismus, der den Protestlern viel abverlangt, und mit dem sie sich der Möglichkeit einer Verhaftung aussetzen, wirkt das Proteststricken einigermaßen harmlos. Aber ist es deshalb wirkungslos? Auch solche Protestformen können Kraft entfalten. Für Frauenrechte strickend zu demonstrieren, ist klug, weil es sich in die Richtung des "mit den eigenen Waffen Schlagens" bewegt. Aber diese Raffinesse braucht's nicht unbedingt. Ein leiser Protest, der für die Unterstützung der Klimaaktionen wirbt, wäre sicher einiges wert: Sie könnte auch jene erreichen, die die momentanen Aktionen nur verärgern. Stricken fürs Klima - das wäre schön, und kalte Winter und Heizkostensparen übersteht man mit Klimaschal auch besser.

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