Klimaherbst:Was wir in München 2050 essen werden

Lesezeit: 2 min

Superfood der Zukunft? Zum Auftakt des Klimaherbstes gibt es Schälchen mit interessanten Zutaten, zum Beispiel Algen und Salzwiesenpflanzen. (Foto: Florian Peljak)

Wenn die Klimakrise schlimmer wird, ernähren wir uns dann künftig von Algen und Meerkohl? Ein Haus der Ernährung soll sich bald solchen Fragen widmen. Und zum Auftakt des Münchner Klimaherbsts gibt es schon mal eine Kostprobe.

Von Thomas Anlauf

Wir schreiben das Jahr 2032. Der Münchner Stadtrat erlässt Richtlinien, wie die Menschen angesichts der Klimakrise künftig mit Lebensmitteln versorgt werden können. In Franken wird das Grundwasser knapp, die Felder verdorren. Im Alpenvorland schwemmen extreme Regenfälle die Nährstoffe aus den ausgelaugten Böden der Felder. Es ist nur ein Szenario. Doch das, was die Designerinnen Sarah Dorkenwald und Karianne Fogelberg bei der Auftaktveranstaltung des Münchner Klimaherbstes beschreiben, könnte bald Realität sein. Denn der Klimawandel hat längst auch München erfasst.

Die Stadt will dem entgegenwirken - auch bei der Frage: Was werden wir im Jahr 2050 essen? Schon in den kommenden Monaten soll es ein eigenes Haus der Ernährung geben, in dem es Bildungsangebote für Jugendliche und Erwachsene geben wird, Münchner Initiativen, die sich dem Thema Ernährung widmen, sollen hier zusammenwirken und sich vernetzen. Just der Ort, an dem der Auftakt des 15. Klimaherbstes stattfindet, könnte künftig auch das Ernährungshaus beherbergen.

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Dort organisieren sich seit Kurzem zahlreiche Menschen in der "Community kitchen". In der Fritz-Schäffer-Straße in Neuperlach werden nicht nur weggeworfene Lebensmittel aufbereitet. Es soll auch ein Restaurant mit genau dem geretteten Obst und Gemüse eröffnet werden, außerdem gibt es Catering für Schulen und Kitas und es werden Suppen, Eintöpfe, Chutneys, Marmeladen und Gedörrtes im Einzelhandel verkauft.

Die Münchner Klimaschutzreferentin Christine Kugler sieht in dieser Einrichtung einen idealen Ort. Schließlich sollen bis 2025 insgesamt 60 Prozent der städtischen Betriebe biologisch versorgt werden. Und sie weiß, dass bei der Ernährungswende in München "wirklich noch Luft nach oben ist". Ihrer Meinung nach müssen künftig auch öffentliche Plätze verstärkt mit Beerensträuchern bepflanzt werden, an denen sich die Münchnerinnen und Münchner einfach bedienen können. Doch der Weg zur "Essbaren Stadt" sei in München noch weit.

Die Zutaten fürs Drei-Gänge-Menü? Manchmal gewöhnungsbedürftig

Doch was ist nun die Ernährung der Zukunft? Einen Vorgeschmack haben die etwa einhundert Gäste der Veranstaltung "Superfood der Dürre" bekommen - und man muss sagen: Es schmeckt. Die Zutaten für ein Drei-Gänge-Menü, das die Besucher des Klimaherbsts verkosten durften, waren manchmal durchaus gewöhnungsbedürftig.

So gab es unter dem Titel "Steigende Meeresspiegel" ein Pesto aus Meerkohl, Queller, Salz-Alant, Meerfenchel, Herzblattsalat und einer Blume namens Karkalla, außerdem Salat aus Algen, Salzwiesenpflanzen und den Mikroalgen Spirulina sowie - fast schon banal - dreierlei Kartoffelsorten. Superfood nennt man heute so was.

"Man kann sich wohl auch in Zukunft ohne Superfood gesund und nachhaltig ernähren", wendet Peter von Philipsburg ein. Er ist Experte für globale Gesundheit und arbeitet am Institut für medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie an der LMU in München und ist überzeugt, dass es auch bei einer deutlichen Klimaerwärmung in Bayern in Zukunft noch Getreide, Kartoffeln und Hülsenfrüchte gibt, die wir kennen. Er sieht allerdings vor allem die Politik in der Verantwortung, wenn es um die Ernährungswende geht. Sie habe "viele Einflussmöglichkeiten", sagt der Wissenschaftler.

Das beginne bereits auf kommunaler Ebene, wo die Kita- und Schulverpflegung viel stärker auf regionale und gesunde Ernährung umgestellt werden könnte bis hin zu steuerlichen Anreizen für Verbraucher: Philipsburg schlägt eine "gesunde Mehrwertsteuer" vor, wie es sie schon in vielen anderen Ländern gibt: Diese könnte für Gemüse und Obst auf ein gesetzliches Mindestmaß gesenkt werden, dafür solle man für Softdrinks, Fleisch und Süßwaren eine erhöhte Mehrwertsteuer verlangen.

Es gibt für Verbraucher aber auch noch einen anderen Weg, um an hochwertige Nahrungsmittel aus der Region zu kommen. Der Biobauer Markus Bogner betreibt in Bad Wiessee am Tegernsee einen Hof, auf dem er und seine Frau die Produkte direkt verkaufen und nicht über Großhändler. Die Kunden wissen, woher die Ware stammt und wie sie behandelt wurde, und Bogner kann vom Verkauf auch gut leben.

Er baut sogar 80 verschiedene Tomatensorten an und verkauft sie am Hof. Laut EU-Recht wäre nur eine seiner Sorten tatsächlich eine echte zertifizierte Tomate, alle anderen Zierpflanzen. Doch diese Zierpflanzen schmecken richtig gut.

© SZ vom 23.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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