Besuch der Asháninka aus Peru in München„Wir schützen den Regenwald auch für euch“

Lesezeit: 4 Min.

Yanet Velasco Castillo und Melqui Huaman Delgadillo treffen in München viele Partner im Kampf gegen den Klimawandel.
Yanet Velasco Castillo und Melqui Huaman Delgadillo treffen in München viele Partner im Kampf gegen den Klimawandel. (Foto: Catherina Hess)

Zwei Vertreter des indigenen Volkes der Asháninka erklären, wie sie gegen Holzfäller und Klimawandel kämpfen. Warum die Stadt München ihnen dabei hilft – und welche Gemeinsamkeiten sie entdeckt haben.

Von Martina Scherf

Ein Abend in der Seidlvilla in Schwabing, der Saal ist voll, vorne stehen zwei Menschen, die von weit her gekommen sind, um aus ihrem Leben zu erzählen. Vom Leben im Regenwald. Von ihrem Kampf um Menschenrechte. Vom Klimawandel, und was das alles mit uns, den Zuhörerinnen und Zuhörern in München, zu tun hat.

Yanet Velasco Castillo und Melqui Huaman Delgadillo sind Vertreter ihres Volkes, der Asháninka, in Peru. 45 ihrer Gemeinden haben sich zusammen geschlossen, sie reihen sich entlang des Flusses Ene, gemeinsam kämpfen sie um den Erhalt ihres natürlichen Lebensraums. Denn der Amazonas-Regenwald, die „grüne Lunge“ des Planeten, ist bedroht. Durch die Abholzung wird organischer Kohlenstoff freigesetzt, der sich mit Sauerstoff zu CO₂ verbindet, einem maßgeblichen Treibhausfaktor. Würde der Wald weiter in dem Maße vernichtet wie bisher, wären die Auswirkungen bald weltweit zu spüren. Auch in Europa. Auch in München.

„Das vereint uns“, sagt Melqui Huaman Delgadillo und lächelt freundlich. Der 26-Jährige hat für diesen Abend seine traditionelle Tracht angelegt, Poncho und Federschmuck. Ruhig und konzentriert berichtet er von den Herausforderungen, mit denen die indigenen Völker zu kämpfen haben: illegale Rodung, Drogenhändler, die in ihr Land eindringen und Coca-Pflanzen säen, Angriffe von Terroristen des Sendero Luminoso, die im Wald immer noch ihr Unwesen treiben.

Und dann der Klimawandel. „Wir spüren ihn jedes Jahr stärker“, sagt der junge Mann. Es komme zu häufigeren Bränden als früher, die Auswirkungen seien schlimmer. 2023 seien viele Kakaopflanzen verdorrt, im Jahr darauf hätten riesige Überschwemmungen die ganze Ernte weggespült.

Diese Kinder baden im Fluss, doch das Wasser ist durch den Bergbau zunehmend kontaminiert.
Diese Kinder baden im Fluss, doch das Wasser ist durch den Bergbau zunehmend kontaminiert. (Foto: Rodrigo Abd/AP)

Doch es gibt auch kleine Fortschritte, berichten die beiden Besucher aus Südamerika. Und dazu leistet die Stadt München einen Beitrag. Seit bald 30 Jahren unterstützt sie als Mitglied des europäischen Klima-Bündnisses die Asháninka, das größte indigene Volk im peruanischen Regenwald.

Asháninka bedeutet „Geschwister, Menschen mit gleicher Sprache“. Sie sprechen sich untereinander mit „Bruder“ und „Schwester“ an, sie haben immer alles geteilt und der Natur nie mehr entnommen als diese reproduzieren kann. Sie bauen Maniok, Bananen, Kakao, Kaffee und Heilkräuter an, und wo die Flüsse nicht durch Abwässer aus Bergwerken und Goldsucher verseucht sind, gehen sie fischen.

Yanet Velasco Castillo und Melqui Huaman Delgadillo im Garten des Eine-Welt-Hauses in München.
Yanet Velasco Castillo und Melqui Huaman Delgadillo im Garten des Eine-Welt-Hauses in München. (Foto: Catherina Hess)

Die Hilfe aus München, so berichten die beiden, sei wichtig in ihrem Kampf ums Überleben. So konnten sie Drohnen anschaffen, mit denen sie ihre Felder überwachen, damit sie rechtzeitig gewarnt sind, wenn Kriminelle eindringen wollen. Dank Internet und Whatsapp können sie die Information schnell weitergeben. Sie haben Bildungsprogramme ins Leben gerufen, machen Podcasts und Workshops, um das traditionelle Wissen über den Wald zu bewahren. Damit auch die, die zum Studieren in die Städte gehen, den Kontakt zu ihrer Heimat nicht verlieren. Aber auch, um sie über ihre Rechte aufzuklären.

Ein zweisprachiges Wörterbuch, Asháninka-Spanisch, ist erschienen. Lehrerinnen und Lehrer schreiben die bisher nur mündlich überlieferten Geschichten ihres Volkes auf. Einige sind jetzt auch ins Deutsche übersetzt, sie liegen an diesem Abend auf dem Büchertisch.

Im vergangenen Jahr fand der erste Frauenkongress der Asháninka statt. Yanet Velasco Castillo ist im Vorstand von CARE (Central Asháninka del Río Ene - Zentralbüro der Asháninka des Flusses Ene) für die Programme für Frauen zuständig und berichtet von ersten Erfolgen. Einige Gruppen hätten inzwischen einen kleinen Laden und eine Firma mit eigenem Label für ihren Schmuck gegründet. Mit dem Erlös würden weitere Fortbildungskurse finanziert.

Melqui Huaman Delgadillo stimmt seiner „Schwester“ zu: „Frauen trauten sich früher gar nicht, in der Öffentlichkeit ihre Stimme zu erheben. Aber das ist sehr wichtig. Sie sind der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung.“

Mit Unterstützung Münchens wurden in mehreren Dörfern kleine Standesämter eingerichtet und eigenes Personal ausgebildet. Dort können sich die Regenwaldbewohner jetzt ins Geburtsregister eintragen lassen. Die Geburtsurkunde ist Voraussetzung, dass sie einen Personalausweis erhalten, eine Schule besuchen und wählen dürfen – fundamentale Bürgerrechte. „Das Gesetz ist wie eine Schlange, es beißt zuerst diejenigen, die keine Stiefel anhaben“, lautet ein Sprichwort der Indigenen.

Es sind keine großen Beträge, aber die Tatsache, dass Menschen in Europa ihre indigenen Gemeinschaften stärken, helfe ihnen enorm – nicht nur materiell, sondern auch ideell, sagen die beiden. „Wir sind sehr froh, dass wir hier sein dürfen und mit euch sprechen können.“ Denn vom eigenen Staat Peru können sie kaum Hilfe erwarten. Noch immer hat nur ein Teil der Gemeinschaften überhaupt verbriefte Landrechte.

Mehr als 10.000 Kilometer trennen Bayern von Peru. Doch diese Klimapartnerschaft, betont Münchens Umweltreferentin Christine Kugler, sei auch für München bedeutsam. „Indigene Völker sind die Botschafter des Waldes und verteidigen ihn gegen Raubbau und Abholzung. Der direkte Kontakt zu den Asháninka ermöglicht ungefilterte Einblicke, wie sich unser Lebensstil und Konsum unmittelbar auf die Zerstörung des Regenwaldes und damit auf den Klimawandel auswirken.“

Eine Woche lang sind die beiden Gäste in München, es ist ihre erste Reise nach Europa. „München ist so grün“, stellen sie fest, das hätten sie nicht erwartet. Ihr Programm ist voll gepackt mit Terminen. Vorträge, Diskussionen mit Schülerinnen und Schülern, Studierenden, Besuche im Rathaus und bei der Stadtverwaltung. Dabei geht es immer wieder auch um die Frage: Was können Menschen in München tun, um die Asháninka zu unterstützen? Eine Möglichkeit ist es, beim Einkauf auf fair gehandelte Produkte zu achten, erklärt Sylvia Baringer von der Fachstelle Eine Welt im Umweltreferat. Zum Beispiel durch den Kauf der München-Schokolade, die es in einigen Bioläden gibt, oder des München-Kaffees, der in den Filialen der Hofpfisterei verkauft wird. Pro Päckchen gehen fünf Cent an Projekte der Asháninka.

Yanet Velasco Castillo und Melqui Huaman Delgadillo erzählen anderntags dann noch, es habe sie nicht nur das grüne München beeindruckt. Sie hätten auch noch mehr Gemeinsamkeiten entdeckt. Besonders interessant sei der Besuch in der städtischen Baumschule gewesen. Denn sie versuchen, die illegal gerodeten Flächen im Regenwald wieder aufzuforsten. Aber wie? „Es geht hier wie dort um die gleichen Fragen, die wir uns auch stellen: Welche Bäume sind klimaresistent, was können wir in Zukunft anpflanzen?“, sagt der junge Asháninka.  „Der Amazonas ist die Lunge des Planeten, und wir leben mittendrin, wir erhalten ihn auch für euch“.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Historiker im Museum Fünf Kontinente über Kulturgüter
:„Das fröhliche bayerische Forschen war mit sehr viel Gewalt verbunden“

Richard Hölzl erforscht die Herkunft der Objekte im Museum Fünf Kontinente. Bisweilen tun sich da Abgründe auf. In der aktuellen Ausstellung erklärt er, wie die Provenienz-Forschung voran kommt und warum Karl Mays Winnetou-Romane voller kolonialer Klischees sind.

SZ PlusVon Martina Scherf

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: