Inklusives Sportangebot:Klettern mit Behinderung? Kein Problem!

Lesezeit: 3 Min.

Aus dem Rollstuhl an die Kletterwand: Sebastian Richter, gesichert von Trainer Markus Mair, bewältigt nur mit der Kraft seiner Arme die 15 Meter hohe Route. (Foto: Catherina Hess)

Bei der Stiftung Pfennigparade lernen Kinder und Jugendliche, dass körperliche Einschränkungen noch lange kein Grund sind, sich nicht an der Kletterwand zu beweisen.

Von Sven Loerzer

Die ganze Aufregung um ihn herum lässt Sebastian Richter ziemlich kalt. Die Klettersicherung hat er längst angelegt, jetzt wartet er geduldig, bis etwas Ruhe im Kellergeschoss der Ernst-Barlach-Schulen der Stiftung Pfennigparade eingekehrt ist. Fotografen, Filmteams und Journalisten stehen gespannt um ihn herum, was Basti, wie ihn alle nennen, sehr gelassen hinnimmt.

Für ihn ist es ja schon längst selbstverständlich, was die Beobachter schwer beeindruckt: Er rangiert seinen Rollstuhl unmittelbar vor die 15 Meter hohe Kletterwand, ergreift mit beiden Hände jeweils einen der vielen farbigen Griffe an der Wand und zieht sich aus dem Rollstuhl empor. Meter um Meter geht es aufwärts, allein mit der Kraft seiner Hände und Arme, denn die gelähmten Beine kann er für das Klettern nicht einsetzen. In Absprache mit seinem Klettertrainer Markus Mair, der ihn sichert, legt Basti kleine Pausen ein, um danach ein weiteres Stück emporzustreben.

Auf dem Weg nach oben: Sebastian Richter nutzt dafür die Kletterwand der Ernst-Barlach-Schulen, aber es gibt auch Rampen (links) rundherum, den Lift und auch ein Treppenhaus für die inklusive Schule. (Foto: Catherina Hess)

Markus Mair hat vor fast einem Vierteljahrhundert als Schreiner in der Werkstatt der Pfennigparade angefangen, in der er inzwischen nur noch halbtags arbeitet. Die andere Hälfte seiner Arbeitszeit gilt den inklusiven Sportangeboten für Menschen mit und ohne Handicap. Selbst leidenschaftlicher Sportler und Skilehrer seit seinem 18. Lebensjahr, entging es Mair nicht, dass viele Menschen mit Behinderung zu wenig Bewegung haben. Er startete einen Walkingkurs, ging zum ersten Mal mit einer Gruppe auf den Luitpoldberg, wie der Hügel im Luitpoldpark im Volksmund heißt. Und erklärte, welche Berge zu sehen sind. "Können wir zum Klettern gehen?" lautete da die Frage.

Geht nicht, das gibt es nicht für Mair. Skifahren hat er schon Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Behinderungen ermöglicht. Ihnen "ein Stück Normalität bringen" nennt er das. Und mit dem Klettern, das Menschen mit Handicap einen Perspektivwechsel bringe, ein cooles und schönes Erlebnis. "Da weißt du, wofür du das tust." Leuchtende Kinderaugen, ein vergnügtes Dauergrinsen, dieses "Danke" bedeute ihm sehr viel.

Das erste Mal habe sie Angst gehabt beim Klettern, erzählt Marie. "Mir war ein bisschen schwindlig", gibt die Zwölfjährige zu. Aber jetzt sei es ein "schönes Gefühl", Kraft zu brauchen und auch zu haben. Klettertraining gehört auch zum Angebot der Nachmittagsbetreuung bei der Pfennigparade. Als Baby habe sie einen Schlaganfall gehabt, erklärt Marie, eine Hemiparese, eine leichte Lähmung einer Körperhälfte, war die Folge: Im rechten Arm und im rechten Bein ist die Kraft vermindert. Das Klettern stärke auch die schwächere Seite, sagt Andreas Schwanengel, Abteilungsleiter der Heilpädagogischen Tagesstätten.

Konzentriert wählt Marie ihre Route und verschafft sich Halt. (Foto: Catherina Hess)
Sicherheit geht vor: Vor dem Klettern kontrolliert Andreas Schwanengel gemeinsam mit Jasmin, ob der Gurt richtig sitzt. (Foto: Catherina Hess)
Warten gehört beim Klettern in der Nachmittagsbetreuung an der Schule dazu. (Foto: Catherina Hess)

Beim "Partnercheck" überprüft er mit Marie die Sicherung, bevor sie in die Wand geht, während ihre beste Freundin Jasmin noch zuschaut. Auch sie gibt zu, dass sie am Anfang Angst hatte herunterzufallen. "Aber jetzt macht es Spaß." Von Behinderung spricht sie ohnehin nicht. Ihre rechte Hand weist nur einen Finger auf. "Ich bin so geboren", sagt die Elfjährige und macht deutlich, dass das für sie kein Thema ist. Klettern, erklärt Schwanengel, gibt Selbstvertrauen, "man kann so leicht an seine persönlichen Grenzen und darüber hinaus gehen".

Kinder und Jugendliche bekommen eine neue Perspektive, "auf sich und auf die Welt", betont Susanne Schönwälder, Geschäftführerin des Bildungsbereichs der Pfennigparade. "Die Kinder, die so oft das Gefühl haben, dass sie bei vielem nicht mithalten können, merken dann, was sie alles schaffen können."

Inklusion von Anfang an zu leben, Kinder, ob mit oder ohne Behinderung, gemeinsam in Kinderhäusern und Schulen aufwachsen zu lassen, das sei die Basis für eine echte inklusive Gesellschaft, davon ist Schönwälder überzeugt. Eine Welt, in der jede und jeder seinen Platz finden kann, wie es ihre Geschäftsführer-Kollegin Beate Höß-Zenker formuliert.

Geschafft: Sebastian Richter ist oben angekommen. (Foto: Catherina Hess)

Das Klettern gibt Vertrauen in die eigene Kraft - und die Stärke für überraschende Eingeständnisse: "Beim Ablassen habe ich jedes Mal Angst", sagt Sebastian Richter und lacht. Auch mal bei neuen Routen und ab einer bestimmten Höhe, da gelte es, Blockaden zu überwinden. "Es ist eine tolle Sache, es geschafft zu haben, jedes Mal wieder." Und anschließend "kaputt zu sein", im positiven Sinn: Ziel erreicht.

Einblick in alle Angebote, auch das Kletterprogramm, geben die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen der Stiftung Pfennigparade beim Tag der offenen Tür am Samstag, 11. Februar, von 10 bis 14 Uhr in den Ernst-Barlach-Schulen (Barlachstraße 36-38) sowie den Phoenix-Schulen und -Kitas (Oberföhringer Straße 150). Informationen unter www.ebs-m.org und www.phoenix-kf.de .

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