Klassische Musik:Architekten aus Vorarlberg dürfen Münchner Konzerthaus bauen

Konzerthaus München Neubau Siegerentwurf

Mit ihrer Idee, die Säle übereinander in einer großen Glashülle anzuordnen, konnte das Büro um Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm die Jury überzeugen.

  • Von 2018 an soll im Werksviertel am Münchner Ostbahnhof das neue Konzerthaus errichtet werden.
  • Die Jury hat sich nach zweitägigen Beratungen und intensiver Diskussion für den Entwurf von Cukrowicz Nachbaur Architekten aus Vorarlberg entschieden.
  • Alle Entwürfe des Architektenwettbewerbs sind von Sonntag an bis 26. November täglich von 10 bis 18 Uhr in der Whitebox im Werksviertel zu sehen.

Von Christian Krügel

Das neue Münchner Konzerthaus im Werksviertel am Münchner Ostbahnhof soll nach einem Entwurf von Cukrowicz Nachbaur Architekten aus Vorarlberg gebaut werden. Die Jury hat sich am späten Freitagnachmittag nach zweitägigen Beratungen und intensiven Debatten für die Planungen entschieden. Das Büro um Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm sieht vor, die geplanten Säle übereinander in einer großen Glashülle anzuordnen, die das Gesamtensemble umspielt. Dafür werden die Architekten mit dem ersten Preis und 125 000 Euro Preisgeld honoriert. Internationales Renommee gewann das Büro mit dem International Architecture Award, den es 2014 für sein Voralberg-Museum gewann.

"Es war eine schwierige Wahl für uns alle. Es sind starke Entwürfe dabei. Der Siegerentwurf hat die vielfältigen An­sprüche und Herausforderungen mit Überzeugung gelöst", ließ Bauminister Joachim Herrmann (CSU) nach der zweitägigen Jury-Sitzung mitteilen.

Die wurde von dem Stuttgarter Architekturprofessor Arno Lederer geleitet, der die Kür des Siegers so begründet: "In diesem heterogenen Umfeld ist das Gebäude ein nobler Ruhepunkt. Zurückhaltend und ausdrucksstark zugleich, in dieser Form an keinem anderen Ort zu finden. Sowohl die emotionalen als auch die quantitativen Anforderungen sind sehr gut erfüllt."

2018 soll der Bau für das neue Konzerthaus beginnen. Der Bau mit etwa 9500 Quadratmeter Nutzfläche soll feste Spielstätte des BR-Symphonieorchesters werden, zudem den Studenten der Musikhochschule München als Bühne dienen. Auch Gastspiele anderer Orchester und Veranstaltungen privater Konzert-Agenturen sind geplant sowie ein großes Angebot für Kinder und Jugendliche.

Entstehen sollen dafür ein großer Konzertsaal mit 1800 Plätzen, ein kleiner mit zirka 600 Sitzplätzen sowie genügend Stimm- und Probenzimmer und Räume für Education-Angebote und kleinere Aufführungen. Daneben sind ein Foyer, Gastronomie, Läden und Büros geplant. Unter dem Gebäude wird eine mehrgeschossige Tiefgarage errichtet. Im Entwurf der Vorarlberger Architekten sind die Säle aufeinander gelegt. Der große Saal schwebt quasi im freien Raum über dem kleinen Konzertsaal und hat eine weinbergartige Form in drei Rängen, allerdings - anders als etwa die Berliner Philharmonie - mit nur wenigen Plätzen hinter dem Orchester.

In der Jury wurde nach Informationen der SZ intensiv um den Siegerentwurf gerungen. Da das Konzerthaus mitten in dem ehemaligen Industriegelände der Pfanni-Werke liegen wird, hatten nach SZ-Informationen viele Architekten sehr funktionale, nüchterne und raue Entwürfe eingereicht, die den Charakter der umliegenden früheren Fabrikgebäude aufnahmen. Das stieß offenbar bei vielen Juroren auf Zustimmung, andere forderten eine attraktivere kühnere Architektur, auch um Münchens Bürgerschaft zu begeistern und zum Spenden zu bewegen.

Und schließlich wurde die Grundfrage diskutiert: Wenn vor allem das Innere, also das Musikerlebnis für die Besucher und ein perfekte Akustik zählt - was muss dann das Äußere bieten, um attraktiv genug für diejenigen zu sein, die bislang nicht in Konzerte gehen?

Konzerthaus Neubau Siegerentwurf Cukrowicz Nachbaur

Im Inneren soll der große Konzertsaal so aussehen.

(Foto: Cukrowicz Nachbaur Architekten)

Am Ende entschied sich das Preisgericht für die Vorarlberger Architekten als ersten Preis, ein eher kleines Büro. Bekanntere Namen finden sich auf den folgenden Plätzen: Auf Platz zwei (dotiert mit 100 000 Euro) kamen PFP-Architekten aus Hamburg, auf Platz drei (75 000 Euro) der britische Stararchitekt David Chipperfield. Den vierten Platz belegt 3XN A/S aus Kopenhagen. Der fünfte Platz geht an Staab Architekten GmbH aus Berlin. Eine Anerkennung erhielten vier Büros: Henning Larsen Architects aus Kopenhagen/München, Zaha Hadid Architects aus London, Mecanoo aus Delft, Christ & Gantenbein aus Basel.

Noch sind einige Fragen offen

Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU) lobte den Sieger: "Der Entwurf von Cukrowicz Nachbaur ist für mich eine beeindruckende Vorlage, um das Anliegen der Staatsregierung umzusetzen: einen Ort zu schaffen, der ideal ist für das gemeinsame Erlebnis hochkarätiger Musik mit exzellenter Architektur und erstklassiger Akustik." Gleichwohl müssen auch Cukrowicz Nachbaur noch an ihren Entwürfen nacharbeiten - ein normaler Vorgang nach einer Jury-Sitzung.

Im nächsten Schritt lädt das Staatliche Bauamt München 1 alle Preisträger zu Verhandlungsgesprächen ein. Bauminister Herrmann: "Wir wollen jetzt schnell in die Verhandlungen einsteigen, damit die Planungen starten können. Parallel sollen alle weiteren Ausschreibungen wie zum Beispiel die Verga­ben der Akustikplanung, Tragwerksplanung und Gebäudetechnik auf Basis des Sieger­entwurfs vorbereitet werden."

An dem Gesamtwettbewerb hatten sich insgesamt 206 Büros beteiligt, mit 31 Entwürfen mussten sich die Juroren auseinandersetzen, darunter aus bekannten Büros wie Frank Gehry, Herzog & de Meuron oder Gerkan, Marg und Partner.

Das Projekt war nach mehr als 15 Jahren Debatte um ein neues Konzerthaus 2015 auf Drängen von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) beschlossen worden. Zuvor waren fast 40 Standorte in München und noch weit mehr Konzepte geprüft und heftig diskutiert worden. Am Ende entschloss sich die Staatsregierung für das Gelände des Privatmannes Werner Eckart. Der Erbe des Pfanni-Werks entwickelt auf dem früheren Fabrikgelände ein ehrgeiziges kulturelles und städtebauliches Projekt, das unter anderem mehrere Hotels, Ateliers, eine Musicalbühne und zwei Konzerthallen für moderne Musik vorsieht. Das Gelände für das Konzerthaus stellt er dem Freistaat in Erbpacht zur Verfügung.

Obwohl Seehofer stets betonte, wie wichtig das Projekt ihm sei und die Jury-Sitzung nach seinem Kalender terminiert worden war, nahm er selbst an den zweitägigen Beratungen nicht teil. Er sei wegen der Koalitionssondierungen in Berlin zu sehr gebunden, hieß es. Ihn vertrat zwei Tage lang Staatskanzleichef Marcel Huber. Auch Finanzminister Markus Söder (CSU) fehlte, Bauminister Joachim Herrmann war seit Freitagvormittag an den Beratungen beteiligt, Kunstminister Spaenle teilweise am Donnerstag und den ganzen Freitag, auch OB Dieter Reiter widmete sich intensiv den Sitzungen.

Trotz der Entscheidung der Jury sind noch eine Reihe von Fragen rund um das Konzerthaus offen, allen voran die nach den Gesamtkosten. Die Staatsregierung bezifferte den Kostenrahmen immer auf 150 bis 300 Millionen Euro - abhängig vom siegreichen Entwurf. Wie teuer nun das Projekt von Cukrowicz Nachbaur wird, muss bei der Präzisierung der Baubeschreibung und der exakten Planung geklärt werden. Meist kommt es dabei ohnehin auch noch mal zu Änderungen im Architektenentwurf.

Offen ist auch noch die Frage der Akustik. Ministerpräsident Horst Seehofer hatte stets einen Saal versprochen, der eine einzigartige Akustik biete. Wer dafür verantwortlich zeichnen soll, wird in einem separaten Wettbewerb entschieden. Als Basis dafür dient nun der Saalentwurf der Vorarlberger, Architekt und Akustiker sollen eng zusammenarbeiten. Unklar ist auch noch die Art des Betriebs des Hauses, der beim Freistaat liegen wird. Künstler hatten eine Intendanz als starke künstlerische Leitung gefordert. Kultusminister Ludwig Spaenle sicherte zuletzt zu, dass es zumindest eine "profilgebende Geschäftsführung" geben und sich der Freistaat nicht nur auf die Vermietung der Räume konzentrieren werde.

Alle Entwürfe des Architektenwettbewerbs sind von diesem Sonntag an bis 26.November täglich von 10 Uhr bis 18 Uhr in der Whitebox im Werksviertel, Atelierstr. 18, zu sehen.

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