Süddeutsche Zeitung

Klassik:Zart und dämonisch

Daniil Trifonov spielt Beethovens Klavierkonzerte in der Isarphilharmonie. Ein Porträt des eher schüchtern wirkenden Pianovirtuosen.

Von Michael Stallknecht

Als Daniil Trifonov 2011 den russischen Tschaikowsky-Wettbewerb gewann, war es Valery Gergiev, der dem damals 20-Jährigen den Grand Prix überreichte. Seitdem sind die beiden regelmäßig miteinander aufgetreten, auch in München, wo sie beispielsweise 2017 mit den Münchner Philharmonikern und dem Mariinsky Orchester St. Petersburg alle Klavierkonzerte Sergej Rachmaninows zur Aufführung brachten. Das Münchner Klavierpublikum durfte staunen über einen jungen Pianisten, der dem Begriff der Virtuosität einen neuen Sinn gab. Und darf es nun wieder, wenn Trifonov und Gergiev zur Eröffnung der Isarphilharmonie alle Klavierkonzerte Beethoven aufführen.

Es geht also nicht allein um das, was bisweilen leicht abschätzig Virtuosenrepertoire genannt wird. Denn es sind nicht die fliegenden Finger allein, die bei Trifonov manchmal wie Hexenwerk wirken, sondern vor allem die nie gehörte Palette an Klangfarben, die er damit zaubert. "Was er mit seinen Händen macht, ist technisch unglaublich", sagte die Pianistin Martha Argerich nach dem Tschaikowsky-Wettbewerb über ihn. "Hinzu kommt sein Anschlag - er hat Zartheit und auch das dämonische Element." Tatsächlich können seine Auftritte wirken, als spiele gar nicht er selbst, sondern etwas durch ihn hindurch.

Über sein Privatleben ist bislang wenig mehr nach außen gedrungen, als dass er seit langem in New York lebt. Auch auf der Bühne wirkt er eher schüchtern, wenn er ein bisschen ungelenk zum Klavier eilt. Doch einmal dort angekommen, scheint die Musik den schlanken Körper regelrecht durchzurütteln, hebelt ihn manchmal sogar vom Klavierhocker, ohne dass dabei jemals der Verdacht von Show oder Selbstdarstellung aufkäme.

Sein Repertoire hat der heute 30-Jährige denn auch kontinuierlich über das reine Virtuosenfach hinaus erweitert, hat Kammermusik mit den Geigern Gidon Kremer und Anne-Sophie Mutter gespielt oder den Bariton Matthias Goerne bei Liederabenden begleitet. Einen Klavierabend bei den Salzburger Festspielen des vergangenen Jahres bestritt Trifonov ausschließlich mit Musik der Moderne bis hin zu Karlheinz Stockhausen und John Adams. In diesem Jahr war er am selben Ort mit Johann Sebastian Bachs "Kunst der Fuge" zu hören, die zu den abstraktesten, am wenigsten pianistisch gedachten Werken überhaupt gehört. Die Fugen des alten Bach verwandelte er dabei in einen jugendlichen Klangzauber und entwarf mutig einen eigenen Schluss für die unvollendete letzte.

Schließlich hat Trifonov in Moskau auch Komposition studiert und schreibt bis heute selbst Musik, womit er die zuletzt in der Spätromantik verwirklichte Einheit aus Komponist und Virtuose aufgreift. Für die Eröffnung der neuen Isarphilharmonie aber wird er sich nun einem echten Klassiker widmen: Zum ersten Mal zyklisch wird er in acht Konzerten alle fünf Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens spielen - begleitet von den Münchner Philharmonikern und dem Mariinsky Orchester unter Valery Gergiev.

Eröffnungskonzert der Isarphilharmonie mit Daniil Trifonov am Freitag, 8. Oktober; weitere Konzerte mit Daniil Trifonov am 9., 10., 13., 14., 15. Oktober, Telefon: 21 83 73 00

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5419804
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.09.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.