Klassik:Mit Klang und Namen

Klassik: Er spielte die Orgel im Liebfrauendom genauso wie in der Pfarrkirche in Schlehdorf: Franz Lehrndorfer.

Er spielte die Orgel im Liebfrauendom genauso wie in der Pfarrkirche in Schlehdorf: Franz Lehrndorfer.

(Foto: Manfred Neubauer)

Meister der Improvisation: Franz Lehrndorfers Orgel-Œuvre auf 14 CDs

Von Klaus P. Richter

Vielleicht war es ein Omen, dass Franz Lehrndorfer im musikalischen Salzburg geboren wurde. Denn der designierte Musiker sollte eigentlich erst ein wenig später zur Welt kommen - und damit in Kempten, wo er dann auch in einem musischen Elternhaus aufwuchs. So aber konnte er sich vom Geist der Mozart-Stadt inspiriert fühlen, wenn er sich später allen Genien der süddeutsch-romantischen Orgelsinfonik so begeistert widmete, bis er 2013 im Alter von 84 Jahren starb.

Sein musikalisches Vermächtnis ist nun in einer Reihe von 14 CDs, ediert von seiner Frau Ingeburg Lehrndorfer, bewahrt und zugänglich gemacht worden. Aber er war auch ein begnadeter und begehrter Pädagoge und wurde so zu einem "Organistenmacher", der seinesgleichen sucht. Viele seiner Schüler spielen an Domen und Hochschulen. Nach seinem Studium war er mehr als zehn Jahre Musikpädagoge bei den Regensburger Domspatzen. 1962 wurde Lehrndorfer dann an die Hochschule für Musik in München berufen, wo er 33 Jahre eine Professur inne hatte und von 1969 an außerdem als Domorganist tätig war. Als Leiter der Abteilung für Katholische Kirchenmusik bis 1993 war er so etwas wie ein komplementärer musikalischer Pol zu Karl Richter, der dort seit 1956 Professor für evangelische Kirchenmusik war und aus der "Leipziger Schule" von Karl Straube und Günther Ramin kam. Dort stand zwar Bach im Mittelpunkt, aber auch das komplexe Orgel-Œuvre von Max Reger gehörte zum selbstverständlichen Programm. Denn Straube war ein enger Freund von Max Reger und trug als dessen Meisterinterpret maßgeblich zum öffentlichen Erfolg seiner Werke bei.

Bei Lehrndorfer aber standen Reger und die sinfonische Orgelromantik im Mittelpunkt. Schon 1957 hatte er damit spektakulär den ersten Preis im ARD-Wettbewerb gewonnen. Das war der Auftakt zu einer Karriere mit einem Repertoire von enormer Spannweite. Viele Raritäten waren darunter: von Franz-Xaver Brixi, Louis-Nicolas Clérambault und John Stanley bis Sigfrid Karg-Elert und Arthur Piechler. Prominent vertreten natürlich auch das französische Genre mit Charles-Marie Widor, Léon Boëllmann bis César Franck und Messiaen, den er als erster in München vorstellte. Dazu kamen viele Uraufführungen, etwa von Harald Genzmer oder Karl Höller sowie eine Fülle edierter Bearbeitungen.

Unvergesslich ist ein Konzert mit Werken von Geierhaas. In "Introduction, Choralfantasie und Fuge" über "Mitten wir im Leben sind", kämpfte er, der souveräne Dompteur aller massivsten sinfonischen Orgelkolosse auf der alten Steinmeyer-Orgel der Musikhochschule, schweißnass, mit den Grausamkeiten von Geierhaas zwischen Doppelpedal und drei Manualen samt zwei Registranten an seiner Seite.

Seine Domäne aber war ein Sujet, das heute besonders von den Organisten gepflegt wird: die Improvisation. Weniger ein unverbindliches Dorado lustvoller Fantasie, sondern vielmehr ein verbindliches Handwerk kundiger Fertigung, verlangt es ein stets verfügbares Know-how für die Typen musikalischen Satzes: den vierstimmigen Choralsatz, den Triosatz, Bicinium, Fuge, Sonate und natürlich einfallsreiche Variationen über ein Thema. Dabei sind dann auch die Registrierkünste der Orgel mit ihren Klangfinessen gefragt. Lehrndorfer war ein unübertroffener Meister dieser organistischen Königsdisziplin, wovon viele mitgeschnittene Aufnahmen Zeugnis geben.

Lehrndorfers Unterricht mit großer menschlicher Zuwendung umfasste hingegen nicht nur die Unterweisung im "Spiel", sondern auch Orgelliteratur und -baukunde. Übrigens mit viel Humor: Beifall bekam ein Student, der einem arroganten Klavierprofessor, der über die Orgel lästerte, erwiderte. "Was sie unterrichten, ist für einen Organisten eine Pubertätserscheinung." 1993 disponierte er auch die neue Jann-Orgel im Liebfrauendom an der er 33 Jahre lang fungierte. Nachhören kann man das im Eröffnungskonzert von 1994 "live" (CD Nr. 14). Es ist charakteristisch für Lehrndorfers weiten musikalischen Ambitus. Für die aktuelle Pandemie-Klausur zu Hause wären aber auch die beiden CDs "Passion, Ostern, Pfingsten" (Nr. 11 und 12) mit Improvisationen und auf vielen verschiedenen Orgeln gespielt, eine Anregung.

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