Süddeutsche Zeitung

Klassik:Furioses Tosen

"Idomeneo" konzertant beim Würzburger Mozartfest

Von MICHAEL STALLKNECHT, Würzburg

Die Einreisebestimmungen sorgen noch für einiges Chaos im international aufgestellten Musikbetrieb - was für wagemutige Einspringer auch eine Chance sein kann. Das bewies nun Giulio Pelligra beim Mozartfest Würzburg, nachdem gleich zwei Tenöre für die Titelrolle in Mozarts Oper "Idomeneo" ausgefallen waren: Mit seinem virilen, dabei warmen Timbre verlieh er dem tragisch verstrickten Herrscher wahrhaft königliche Statur. Dass der italienische Tenor vom Belcanto her kommt, erleichtert ihm nicht nur die Koloraturen der gefürchteten Arie "Fuor del mar". Pelligra bringt auch auf reizvolle Weise eine unverkennbar italienische Diktion in die Oper ein, in der der junge Mozart französische mit italienischen Stilelementen so unorthodox wie furios mischte.

Dieses revolutionäre Tosen kann man erleben in der konzertanten Aufführung des französischen Ensembles Les Talents Lyriques unter seinem Gründer Christophe Rousset. Mit seinem historischen Instrumentarium verleiht es nicht nur den handlungsprägenden Stürmen Gewalt, es verfügt auch über die klangliche Binnendifferenzierung für lyrische Stellen. Christophe Rousset, vom Hammerflügel aus die Rezitative selbst begleitend, betont die geschlossene Dramatik der Handlung - weshalb es umso bedauerlicher ist, dass den Besuchern im Kaisersaal der Residenz kein Libretto oder wenigstens eine ausführliche Inhaltsangabe an die Hand gegeben wurde.

Denn auch die Sänger gestalten durchweg vom theatralen Sinn her wie Judith van Wanroij als Ilia, die sich mit expressiver Kraft in die Rezitative stürzt und in den Arien ihren Sopran in eleganten Phrasierungen aufblühen lässt. Maite Beaumont gibt Idamante mit ihrem geräumigen, auch zur Attacke fähigen Mezzo wahrhaft jugendliches Feuer, während Nicholas Scott den Arbace mit hellem, kultiviertem Tenor singt. Als einziger Ausfall muss Lenneke Ruiten gelten, die ihren körperlosen Sopran als Elettra leider ziemlich forcieren muss.

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Quelle:
SZ vom 14.06.2021
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