Klassik als TV-Ereignis. Früher, lange vor der Zeit der Streaming-Dienste und Mediatheken, gab’s da, abgesehen von der heiteren Ratesendung „Erkennen Sie die Melodie“, natürlich die Übertragung des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker. Da konnte der Opa immer fröhlich den Radetzky-Marsch mitfuchteln, und jedes Mal aufs Neue war im Wohnzimmer für einen schwungvollen Donauwalzer viel zu wenig Platz.
Irgendwann kam dann „Klassik am Odeonsplatz“ im Bayerischen Fernsehen dazu. Ideal für alle, die nicht live dabei sein können, wenn alljährlich im Sommer die geschichtsschreckliche Feldherrnhalle zur Orchester-Bühne und der Platz zum „schönsten Konzertsaal“ der Stadt wird. Wer fern von München ist, erfährt, wie an dem Abend dort das Wetter ist, welche Prominenz gerade in der ersten Reihe sitzt, und wie die Münchner Spitzenorchester denn so beieinander sind.

Das Münchner Open-Air-Orchester-Duell, wenn man es denn so auffasst, gibt es heuer am Freitag, 12., und Samstag, 13. Juli. Chefdirigent Sir Simon Rattle und sein Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks steigen zuerst in den Ring, mit Brahms und Wagner. Auszüge aus der „Walküre“ sind zu hören, Anja Kampe und Michael Volle, beide Bayreuth erprobt, geben Brünnhilde und Göttervater Wotan. BR-Klassik überträgt das Konzert von 20.30 Uhr an live im Radio, zudem sendet das BR-Fernsehen zeitversetzt, Beginn 22 Uhr.
Ein anderer Orchesterklang dann am zweiten Abend: Die Münchner Philharmoniker haben ihren designierten Chefdirigenten Lahav Shani am Pult, der Israeli gibt sein Debüt am Odeonsplatz ebenso wie Stargeigerin Anne-Sophie Mutter. Statt Wagner stehen John Williams und sein „Harry Potter“-Soundtrack auf dem Programm, zum Glück aber zudem Werke von Webern, Saint-Saëns und Strawinsky. Wichtig auch hier fürs Wohnzimmer-TV: Am 13. Juli um 20.15 Uhr zeigt 3sat die Aufzeichnung vom Vorabend mit Rattle. Im Anschluss ab 21.45 Uhr gibt’s dann im Ersten den Auftritt von Shani und Mutter. Die Konzertvideos stehen nach Ausstrahlung in der ARD Mediathek weiter zum Abruf zur Verfügung.
Wer aber in München ist und das Live-Erlebnis sucht: Für beide Odeonsplatz-Konzerte sind noch Karten zu haben. Und wen es in diesem flatterhaften Sommer eher in den Konzertsaal zieht: Andris Nelsons, der sowohl am Odeonsplatz als auch an Neujahr im Wiener Musikverein schon den Stab geschwungen hat, dirigiert die Philis in der Isarphilharmonie am 26., 27. und 28. Juni (jeweils 19.30 Uhr). Einmal mehr Wagner: die „Tannhäuser“-Ouvertüre, die „Venusberg“-Bacchanale und Bruckners Siebte.

Und Evgeny Kissin setzt sich 8. Juli (20 Uhr) in der Isarphilharmonie an den Flügel, das Nachholkonzert vom 5. Februar, das er krankheitsbedingt absagen musste. Der Exilrusse kommt mit einem Programm, das Schönklang verspricht, es sei deshalb hier in aller Ausführlichkeit genannt: Beethovens Klaviersonate Nr. 27 e-Moll op. 90, Frederic Chopins Nocturne op. 48 Nr. 2 fis-Moll und Fantasie op. 49, von Brahms die Vier Balladen für das Pianoforte op., Sergej Rachmaninoffs Six Moments Musicaux op. 16 und Sergej Prokofjews Sonate Nr. 2 für Klavier d-Moll op. 14. Kissin, das ehemalige Wunderkind, muss den Virtuosen nicht mehr rauskehren, er ist es längst, jetzt spielt das Herz.