Auch nach 13 Jahren kann es nicht schaden, wenn sich die richtigen Leute für das Klangfest starkmachen. Das kann selbst eine sehr sanfte Person sein wie Nilo. Sie schätze dieses Münchner Musikfestival schon lange, sie war schon dort, als es noch im Gasteig stattfand, sagte die junge Frau aus Sapporo in Japan neulich bei der Pressekonferenz im Werksviertel. Aber noch überzeugender warb sie, die seit einer Weile auch in der Münchner Manga- und Anime-Szene verehrt wird, für einen Besuch auf dem Klangfest am Samstag, 7. September, mit den beiden Stücken, die sie dann spielte. Weil so etwas hört man, wenn überhaupt, höchst selten: Unter Japan-Pop könnte man es grob einsortieren, ein wenig wie Pizzicato Five in den Achtziger- und Neunzigerjahren, mit einem heftigen Hang zum Easy Listening, aber sehr fein, mit einem Bossa-Nova-Rhythmus und Akkordumspielungen auf der halbakustischen Gitarre gezupft, dazu singt Nilo auf Japanisch, Portugiesisch und Englisch. „Der Junge im Sommer“, hat sie zuvor gesagt, heiße dieses Lied. Als das zu Ende scheint, geht es erst richtig los, und Nilo tupft noch ein paar zarte Flageolette-Töne in den Raum.
Da denkt man sich: Wie schön, das live zu erleben, auf Spotify würde sich derlei Klangkunst doch versenden: zu lang, zu leise, zu lebendig. Und damit ist man mittendrin in der Mission des Klangfestes. Das ist die jährliche Leistungsschau des VUT Süd, der hiesigen Filiale des Verbandes der unabhängigen Musikunternehmer. Plattenfirmen und Musiker-Ich-AGs präsentieren sich hier Geschäftspartnern und Publikum, und das bei freiem Eintritt. Eine „Win-win-win-Situation“, sagte Anton Biebl dazu. Von städtischer Seite aus kennt kaum einer das Klangfest so gut wie er, schon als Beamter im Kulturreferat sei er von Anfang an damit betraut gewesen, jetzt als Kulturreferent unterstützt er es weiter. Mit einem Zuschuss, aber auch mit der richtigen Einstellung.
Die Frage der großen Podiumskonferenz auf dem diesjährigen Klangfest, „Alles nur noch online – welchen Tonträgerformaten gehört die Zukunft?“, beantwortete Biebl selbst so: „Vinyl! Heute erscheint die neue Platte von Deep Purple.“ Dafür gab es Applaus von den auf der Pressekonferenz versammelten Label-Betreibern. Denn gerade für die Kleinen bietet die unkopierbare Langspielplatte noch immer eine der wenigen guten Verdienstmöglichkeiten. Sie werden ihre Stände beim Klangfest in einem eigenen Zelt auf der Gasse vor dem Technikum im Werksviertel aufbauen.
Für die Musiker gibt es drei Bühnen, auf denen sind insgesamt 24 Konzerte zu hören. Auf eine Open-Air-Bühne wird aus Furcht vor zu viel Hitze oder zu viel Regen diesmal verzichtet. „Neue Sachen entdecken“, das sollen die Gäste, sagte Xaver Himpsl von Himpsl Records, mit niederschwelligem Zugang und aus allen möglichen Genres. In der Nachtkantine zum Beispiel lässt Münchens Lieblings-Indie-Szene-Label Gutfeeling Leonie Felle mit ihrer Zauber-Folk-Band Leonie singt (20.15 Uhr) und die Indietroniker WhaZo (21.15 Uhr) antreten. Los geht es hier schon um 14.15 Uhr mit dem Duo der Vibrafonisten und Glasharfenistin Izabella Effenberg und der Jazzvokalistin und Gesangsprofessorin Esther Kaiser. Der Bayerisch-Rock von Jonas Sempert (17.15 Uhr) will dem Namen seines Hauses Donnerwetter-Musik ebenso alle Ehre machen wie Tonland (19 Uhr) ihrem Label Smart & nett.
Im Technikum geht es los mit Post-Grunge von Stand Up Drive (14.45 Uhr), gefolgt unter anderem vom Street-Hip-Hop von Marlon Hill (16.45 Uhr), den Seventies-Rockern Tame The Abyss (18.45 Uhr) und The Sonic Brewery (19.45 Uhr) und zum Abschluss der siebenköpfigen Balkan-Ska-Truppe Skyline Green, die Stimmung mit Songs über „Katzen, Liebe und internationale Solidarität“ macht (21.45 Uhr).
Im großartigen Musical-Theater Werk7, wo einst „Fack U Göhte“ und „Die wunderbare Welt der Amélie“ liefen, ist viel Platz für Nilos Japan-Pop (17.30 Uhr), für das Kinderkonzert von Eichhorn & Lila Hund, die beim „Alle meine Entchen“-Rap „Rumble on the Teich” versprechen (14.15 Uhr) und Weltmusik von Kildan (21.30 Uhr). Hier präsentieren sich auch die Jazz-Edel-Labels Act mit Nils Kugelmann (15.30 Uhr) und GLM mit dem (Quadro Nuevo-)Pianisten Chris Gall (16.30 Uhr), dem Gypsy-Swing-Quartett von David Danino Weiss (18.30 Uhr), Stefanie Boltz mit ihrem „Female“-Programm, das Heldinnen von Hildegard von Bingen über Nina Simone bis Kate Bush ehrt (19.30 Uhr) bis zum fein instrumentierten Soul-Pop von Hanna Sikasa (20.30 Uhr).
Das sind, wie Xavier Himpsl feststellt, allesamt hochkarätige Künstler, die sonst bei Gratis-Festivals nicht zu hören wären. Möglich machen das Marketing-Budget der Labels ebenso wie der städtische Zuschuss. Den hat Anton Biebl, nachdem die Plattenfirmen dies in den vergangenen Jahren sehr unterschiedlich gehandhabt hatten, an eine Bedingung geknüpft: „Es ist vom Kulturreferat und dem VUT sichergestellt, dass alle Auftretenden ein Honorar bekommen.“ So macht er sich für das Klangfest stark, und auch für die Musiker.
Klangfest München, Samstag, 7. September, Beginn 13 Uhr, Werksviertel München: Technikum, Nachtkantine, Theater Werk7, Eintritt frei, Infos unter www.klangfest-muenchen.de/