Klage auf Weiterbeschäftigung:Die mit dem Stuhl vor der Tür

Klage auf Weiterbeschäftigung: Geschlossen seit dem 10. Oktober 2013: der XXXLutz auf der Theresienhöhe.

Geschlossen seit dem 10. Oktober 2013: der XXXLutz auf der Theresienhöhe.

(Foto: Stephan Rumpf)

Sie wissen nur, dass sie keinen Arbeitsplatz mehr haben: 160 ehemalige Mitarbeiter des Möbelhauses XXXLutz auf der Theresienhöhe streiten vor dem Münchner Arbeitsgericht um eine Weiterbeschäftigung. Doch der Richter stößt sie vor den Kopf.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Tatsächlich wissen sie nur, dass sie keinen Arbeitsplatz mehr haben. Zehn Monate und zwölf Tage stehen rund 160 frühere Angestellte des Möbelhauses XXXLutz von der Theresienhöhe nun schon auf der Straße. Einen Sozialplan gibt es nach wie vor nicht. Und andere Häuser des florierenden Konzerns übernehmen sie nicht. Bewerbungen bei Konkurrenzfirmen blieben oft sogar unbeantwortet. Und am Donnerstag vor dem Arbeitsgericht München, wo viele von ihnen auf Weiterbeschäftigung klagten, erlebten sie eine weitere Enttäuschung: "Vor Jahresende kriegen wir garantiert nichts hin", ließ sie der Richter knapp und geschäftsmäßig wissen. Er hakte nur ein paar Formalien ab und schickte dann die vielen Betroffenen wieder aus dem Sitzungssaal.

"So etwas habe ich noch nie erlebt", staunte Dirk Nagel von der Gewerkschaft Verdi. "Der Richter geht Ende des Jahres in Pension und will nicht mehr", wollte eine enttäuschte Möbelverkäuferin wissen. Anna Reichert, 61, Betriebsratsvorsitzende und 36 Jahre erst bei Karstadt, dann bei XXXLutz, bringt es so auf den Punkt: "Wir wurden rechtlos gestellt."

Für die geschassten Mitarbeiter ist es ein rechtlicher Skandal, dass sich der Möbelkonzern weigert, die Verantwortung für die zum Teil jahrzehntelang tätigen Mitarbeiter zu übernehmen. Denn tatsächlich angestellt waren sie bei einer praktisch vermögenslosen GmbH. Der ganze Konzern funktioniert nach Angaben von Verdi so: Vermögen und Beschäftigte seien strikt getrennt in einem schier unüberschaubaren Konglomerat von mindestens 127 solcher "Dienstleistungsgesellschaften".

Rund 60 ehemalige Mitarbeiter erscheinen vor Gericht

"Hier geht es auch nicht nur um München", sagte Nagel vor der Verhandlung im Arbeitsgericht: "Wenn dieses Beispiel Schule macht, sind künftig alle Mitarbeiter erpressbar." Das empfindet Aylin Ö., alleinerziehende Mutter, 13 Jahre im Betrieb, schon längst so: 0,25 Prozent des Monatslohns pro Arbeitsjahr sei ihr als Abfindung angeboten worden - verbunden mit dem Hinweis, den sie durchaus als Drohung verstehen musste, dass es sonst gar nichts geben werde.

Wohl ähnliche Empfindungen hatten all die rund 60 zum Gerichtstermin gekommenen Entlassenen. Zwar sollte nur für 15 von ihnen eine Güteverhandlung stattfinden. Doch auch alle anderen waren gespannt, was der Richter zu sagen haben würde. Es gab noch nicht einmal genügend Stehplätze für sie in dem kleinen Sitzungssaal. Der Richter erkundigte sich aber bei einer Prozessvertreterin nur kurz nach dem Stand der Dinge. Dann erklärte er: "2014 gibt es keinen Kammertermin mehr" - also keinen Prozess, in dem wirklich endlich zur Sache verhandelt wird.

Vielmehr schlug der Richter vor, sich doch besser auf einige Musterverfahren zu konzentrieren und diese "durchzutreiben". Für Betriebsrätin Reichert ist das eine Katastrophe. "Wir können uns faktisch nicht anderweitig bewerben, solange es keine rechtliche Klarheit gibt", sagt sie zur Erklärung. Und Dirk Nagel von Verdi findet: "Es wäre nötig, dass die Gerichtsbarkeit den Eigentümern Richard und Andreas Seifert und deren unübersichtlichen und zutiefst unsozialen Unternehmensstrukturen deutlich die Grenzen zeigt."

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