Kita-Streik:Endlich wieder Alltag

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Eltern und Kinder sehen sich als Hauptopfer des Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst, der nun vorerst ausgesetzt wird. (Foto: Axel Heimken/dpa)
  • Von diesem Montag an werden alle städtischen Krippen, Kindergärten, Horte und Tagesheime wieder geöffnet haben - pünktlich zum Ende der Pfingstferien.
  • Die kommunalen Arbeitgeber und Verdi haben im Tarifkonflikt des Sozial- und Erziehungsdienstes eine Schlichtung vereinbart.
  • Für die Eltern bedeutet das: In den kommenden zwei Wochen gilt eine Friedenspflicht.

Von Melanie Staudinger

Nach 17 Streiktagen öffnen Kitas wieder

Ein kleines, blondes Mädchen läuft einen Gehweg entlang, in der Hand trägt sie eine große schwarze Tasche. "Heute durfte ich endlich wieder nach Hause kommen", hat ihr Vater über das Foto geschrieben, das er in einer Facebook-Gruppe veröffentlicht hat. Die Erklärung liefert er mit: Weil die Eltern keine Urlaubstage mehr nehmen konnten, hätten sie die Tochter wegen des Kita-Streiks zu den Großeltern bringen müssen. Außerplanmäßige Ferien quasi, die nun aber zumindest vorübergehend ein Ende haben.

Die kommunalen Arbeitgeber und Verdi haben im Tarifkonflikt des Sozial- und Erziehungsdienstes eine Schlichtung vereinbart. Für die Eltern bedeutet das: In den kommenden zwei Wochen gilt eine Friedenspflicht. Von diesem Montag an werden alle städtischen Krippen, Kindergärten, Horte und Tagesheime wieder geöffnet haben - pünktlich zum Ende der Pfingstferien.

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Experten rechnen nicht damit, dass Kinder nach 17 Streiktagen größere Probleme haben dürften, sich wieder in ihre Kita einzugewöhnen. Mehrwöchige Schließzeiten seien in vielen Einrichtungen üblich, etwa in den Sommerferien, erklärt Birgit Riedel, Leiterin der Fachgruppe "Bildungsorte und sozialstaatliche Leistungen für Kinder" am Deutschen Jugendinstitut in München. Kinder hätten einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, ältere unter ihnen könnten durchaus etwas damit anfangen, wenn man ihnen erkläre, dass Erzieher aus deren Sicht unfair bezahlt würden und daher streikten. Viel problematischer sieht die Expertin hingegen die Notfallarrangements, mit denen sich Kinder und Eltern in den vergangenen Wochen abfinden mussten.

Die Eltern sind nervlich am Ende

Familien ließen Großeltern einfliegen und herbeifahren oder schickten ihre Kinder zu diesen. Andere wiederum nahmen unbezahlten Urlaub oder wechselten sich im Freundeskreis mit Babysitten ab. Wer fünf Kinder auf einmal betreut, weiß, wie anstrengend das sein kann. Vor allem in der vergangenen Woche wurde jedoch deutlich, dass viele Eltern nervlich am Ende sind. Zu groß ist die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust, zu aufreibend die ständige Suche nach neuen Lösungen in einem Konflikt, dem die Familien ohnmächtig gegenüberstehen. "Wir werden zerrieben zwischen kommunalen Arbeitgebern und Gewerkschaften, ohne dass wir wirklich etwas tun können", sagte etwa ein Vater.

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1000 Härtefallplätze haben die Stadt und Verdi angeboten - viel zu wenige, um alle Kinder aus den bestreikten Einrichtungen aufzunehmen - zwei Drittel der 420 Kitas in München waren geschlossen. Das Angebot galt ohnehin nur für Kindergartenkinder zwischen drei und sechs Jahren. Krippenkinder seien zu jung, um von fremden Personen betreut zu werden, argumentierte die Stadt. Und ein sicherer Weg für Hortkinder zu einer fremden Einrichtung sei nicht zu gewährleisten.

Eltern müssen auf Rückerstattung der Gebühren noch warten

Ein weiteres Ärgernis für die Eltern war zudem, dass sie die Gebühren für die Tagesstätten ganz normal weiterzahlen mussten, obwohl sie keine Leistungen in Anspruch nehmen konnten. Die städtische Satzung sieht hier eine Staffelung vor: Bei fünf aufeinanderfolgenden Streiktagen verringert sich die Besuchsgebühr um ein Viertel, bei zehn um die Hälfte und bei 15 um 75 Prozent. Erst ab 20 Tagen ununterbrochenen Streiks hätten die Eltern gar nichts mehr zahlen müssen. Auf eine Rückerstattung müssen die Familien allerdings noch einige Zeit warten. Erst wenn der Streik endgültig beendet worden sei, könne diese vorgenommen werden, erklärt eine Sprecherin des Bildungsreferats.

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"Dann werden die betroffenen Kinder und die jeweiligen Streiktage ermittelt, was eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird", sagt sie. Für Tage, an denen Kindern ein Härtefallplatz angeboten worden sei, könne keine Erstattung erfolgen. Einen Antrag müssten Eltern nicht stellen. Bedingt durch unterschiedliche Abrechnungsverfahren würden Verpflegungsgeld und die Besuchsgebühren nicht im selben Monat zurückgegeben. Damit Eltern ihr Geld schnell erhalten, hat der Stadtrat in seiner letzten Sitzung 170 000 Euro bewilligt: Zeitarbeitskräfte kümmern sich um die Rückzahlungen.

Kämpferisch und optimistisch

Die Gewerkschaft Verdi will indes die kommenden Tage weiter nutzen, um für eine Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes zu kämpfen. Zwar würden die Beschäftigten ihre Arbeit am Montag wieder aufnehmen. Am Mittwoch, 10. Juni, soll es aber eine Protestkundgebung geben. Die Demonstration startet um 17 Uhr am Zirkus Krone, die Route wird erst noch bekannt gegeben.

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© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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