Süddeutsche Zeitung

Kita-Streik:"Die aktuelle Situation ist eine Katastrophe!"

Wenn Erzieher und Kinderpfleger streiken, müssen sich viele Eltern eine alternative Betreuung organisieren. Trotz des Stresses zeigen sie Verständnis für den Ausstand, nicht aber für die Arbeitgeber.

Verständlich, aber doch problematisch: Vor dem ersten längeren Kita-Streik seit 2009 reagieren Eltern noch relativ gelassen. Zwar äußern einige ihren Unmut, dass die Kindertagesstätten in der Stadt von Montag, 11. Mai, an zwei Wochen am Stück geschlossen bleiben könnten. Gleichzeitig aber wollen viele, dass Erzieher und Kinderpfleger mehr Geld bekommen. Glück haben Familien, deren Krippe, Kindergarten oder Hort nicht geschlossen sind oder die einen Platz in der Notbetreuung bekommen haben. Für alle anderen waren die vergangenen Tage voll mit Organisation. In der SZ beschreiben einige von ihnen ihre Situation.

"Die aktuelle Situation ist eine Katastrophe!"

Ich bin Mutter von zwei kleinen Kindern in Alter von zwei und vier Jahren, die beide in städtischen Einrichtungen betreut werden. Wir sind sehr zufrieden mit den Konzepten, der Umsetzung vor allem dem immer sehr freundlichen, kompetenten und liebevollen Personal. Umso größer ist nun unser Ärger über den geplanten langen Streik der Kindergärten und Kinderkrippen. Wir fragen uns, wie man das als arbeitstätige Eltern organisieren soll? Wir haben keine Großeltern in der Stadt, die die Kinder in solchen Fällen übernehmen können. Unsere Urlaubstage sind bereits durch die Schließtage der Einrichtungen vollkommen aufgebraucht. Die aktuelle Sitation ist eine Katastrophe.

Andererseits haben wir vollstes Verständnis für die Unzufriedenheit der Erzieher/innen über deren Entlohnung. Ich kann einfach nicht verstehen, warum den Erzieher/innen kein adäquates Angebot unterbreitet wird. Es kann doch nicht sein, dass eine Erzieherin nach fünf Jahren Ausbildung sich zusätzlich einen Nebenjob suchen muss, um in einer Stadt wie München wohnen zu können.

Verbessern sich die Konditionen für Erzieher/innen nicht wesentlich, wird es immer wieder zu extremen Streiks kommen. Arbeitgeber werden dann noch mehr als zuvor Männer oder kinderlose Frauen bevorzugen - ein Teufelskreis: noch weniger Kinder in Deutschland... Marion Bauer, München

Solidarität mit Streikenden

Die Beschäftigten der Kitas streiken. Und das ist gut so! Ihre Forderungen nach mehr Geld und mehr gesellschaftlicher Anerkennung sind berechtigt. Die Frauen und Männer, die unsere Kinder umsorgen, haben nicht nur eine große Verantwortung, sondern auch einen hohen gesellschaftspolitischen Stellenwert. Sie sind es, die das höchste Gut in unserer Gesellschaft, nämlich unsere Kinder, behüten und betreuen. Schon deshalb sind ihre Forderungen gerechtfertigt! Wir geben für Konferenzen, siehe Elmau, 130 Millionen Euro aus, Bayern bleibt auf 90 Millionen Euro sitzen, und das werden sicher noch mehr: Für die sogenannten Fußballfans braucht es jedes Wochenende Polizeischutz. Die Kosten tragen auch hier die Steuerzahler - um nur einige Kostenfaktoren zu nennen. Wichtiger wäre es doch, Mittel für die Frauen und Männer bereitzustellen, die unsere Kinder - aber auch unsere älteren Mitbürger, die in Heimen leben - betreuen und pflegen! Wir bitten die Eltern, die Kinder in Kitas haben, Verständnis für die Streikenden aufzubringen und sie, wenn möglich, auch zu unterstützen. Kurt Weber und Ernst Höltschl, Schliersee

Einigung so rasch wie möglich

Der jetzt beginnende Kita-Streik stellt uns Eltern auf eine harte Probe. Selbstverständlich sind wir solidarisch mit den berechtigten Forderungen der Erzieherinnen und Erzieher. Dennoch wird, wie so oft, ein Konflikt auf dem Rücken Unbeteiligter ausgetragen. Die kommunalen Träger sind sehenden Auges in den Konflikt gegangen und beweisen, dass ihnen die Interessen vor allem der Kinder offensichtlich wenig beachtenswert erscheinen. Allerdings ist auch die Gewerkschaft nicht schuldlos. Bewusst soll denen geschadet werden, deren Wohl und Entwicklung sie sich auf die Fahnen geschrieben hat. Wir Erwachsenen, die Steuer- und Beitragszahler, sind wie immer die Dummen, aber daran kann man sich bei den diversen Streiks dieser Tage ja gewöhnen. Die Opfer sind jedoch die Kinder (vor allem die ganz kleinen), die nun von Pontius zu Pilatus geschoben werden müssen, ohne die Zusammenhänge verstehen zu können. Daher möchte ich die Konfliktparteien dringend auffordern, sich so schnell wie möglich zu einigen und vor allem Kompromissbereitschaft zu zeigen. Auch wenn es für die Verantwortlichen nur schwer nachvollziehbar sein mag: Es geht nicht in erster Linie um die kommunalen Kassen beziehungsweise die Interessen der eigenen Klientel; es geht um unsere Kinder. Malte Bartels, Göttingen

Unfaire Bereicherung

Die Arbeitgeber haben diese Entwicklung durch Ihre Eskalationsstrategie vorsätzlich herbeigeführt. Schließlich sparen die Kommunen ja mit jedem einzelnen Streiktag gewaltige Summen an Personalkosten ein, die nicht etwa an die belasteten Eltern zurückgegeben werden, sondern vom Kämmerer für sonstige Zwecke verwendet werden. Die Eltern, Kinder, Beschäftigten und Gewerkschaften sind die Leidtragenden. Iulia Neckel-Fodor, München

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Quelle:
SZ vom 11.05.2015/mest
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