Kita-Satzung:Warum Eltern plötzlich mehr für die Betreuung ihrer Kinder zahlen müssen

Kindertagesstätte

Im Steuerbescheid der Eltern war das Geld, das für Kinderbetreuung als Werbungskosten geltend gemacht wurde, bis zum Jahr 2014 schon von den Einkünften abgezogen.

(Foto: dpa)
  • Nach der Änderung der Kita-Satzung müssen viele Eltern mehr für die Kinderbetreuung bezahlen.
  • Die Gebühr der städtischen Kitas hängt vom Einkommen der Eltern ab. Der Bund empfiehlt, die Kinderbetreuungskosten vom Einkommen abzuziehen. Doch die Stadt München hat sich dagegen entschieden.
  • Die umstrittene Regelung hätte nach der Änderung der Kita-Satzung Mitte August 2015 gelten sollen. Doch sie wurde schon vorher angewandt.

Von Melanie Staudinger

Es ist ein kurzer, abstrakter Satz, der Münchner Familien weit teurer kommen könnte, als sie bisher geahnt haben. "§2 Abs. 5a EStG findet keine Anwendung", steht in der aktuellen Fassung der städtischen Kita-Satzung unter Paragraf 6. Was bürokratisch klingt, bedeutet in der Realität: Viele Eltern müssen mehr für einen Platz in Krippe, Kindergarten oder Hort bezahlen, weil die Stadt ihr Einkommen anders und zu ihren Lasten berechnet.

Eine potenzielle Gebührenerhöhung, die die Stadt bis heute allerdings nicht offiziell mitgeteilt hat. Festgelegt hat sie der Stadtrat still und leise im Juli 2015 - in einem Beschluss, der den Eltern eigentlich Geld bringen sollte, weil ihnen die Gebühren für die vorangegangenen Kita-Streiktage im Nachhinein erlassen wurden.

Um wie viel das die Familien belastet, ist sehr unterschiedlich. Denn die Gebühren in den städtischen Kitas hängen vom Einkommen der Eltern ab. Wer mehr als 60 000 Euro im Jahr verdient, zahlt den Höchstbetrag; wem weniger als 15 000 Euro jährlich zur Verfügung stehen, gar nichts. Zwischendrin gelten abgestufte Beiträge, die sich stark unterscheiden. Für jedes Kind ermittelt die zentrale Gebührenstelle des Bildungsreferats individuell die Gebühr, und zwar jeweils auf Grundlage des Einkommens von vor zwei Jahren.

Bis zum Jahr 2014 war dieses Vorgehen unstrittig: Im Steuerbescheid der Eltern war das Geld, das für Kinderbetreuung als Werbungskosten geltend gemacht wurde, schon von den Einkünften abgezogen. Diesen Betrag nahm die Gebührenstelle als Grundlage ihrer Berechnung. Doch mit dem Steuervereinfachungsgesetz des Bundes änderte sich die Rechtslage.

Beiträge für die Betreuung werden nun nicht mehr als Werbungskosten abgezogen, sondern tauchen im Steuerbescheid weiter hinten als "Sonderausgaben" auf. Damit den Eltern dadurch kein Schaden entsteht, empfiehlt der Bund, die Einkünfte weiter um die Kinderbetreuungskosten zu mindern, diesen Betrag also abzuziehen. Die Stadt München hat sich jedoch dagegen entschieden. Diese Berechnungen bedeuteten zu viel Aufwand, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage.

Es geht ihm nicht ums Geld

Somit müssen Münchens Eltern bei gleichem Einkommen nun höhere Gebühren zahlen; je nach Einzelfall kommt da schnell ein dreistelliger Betrag pro Jahr zusammen, in manchen Fällen sogar ein vierstelliger. Nur ein Beispiel: Wer 34 000 Euro verdient, zahlt im Kindergarten bei einer Buchungszeit von mehr als neun Stunden 95 Euro monatlich. Liegen die Einkünfte bei 36 000 Euro, so sind es 116 Euro, also 21 Euro mehr. Pro Monat.

Brisant ist dabei: Der Stadtrat hat die Kita-Satzung erst zum 15. August 2015 geändert. Zwischen Anfang 2014 und diesem Zeitpunkt hätte also eigentlich noch die alte Regelung gelten müssen und damit das um die Kita-Kosten reduzierte Einkommen der Eltern.

Doch die zentrale Gebührenstelle wandte die Regelung schon damals nicht mehr an. Wie aus einem internen Schreiben hervorgeht, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, hat die Rechtsabteilung des Bildungsreferats die Gebührenstelle angewiesen, nur die Einkünfte für die Gebührenberechnung zu nutzen und die Kinderbetreuungskosten nicht abzuziehen - auch wenn es dafür keine Rechtsgrundlage gab.

Gegen diese "eklatanten Missstände" kämpft ein Münchner Vater seit einigen Monaten. Er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, um seine Kinder zu schützen. Ihm geht es nicht ums Geld, wie er sagt. An seinen Beiträgen ändere sich nichts, egal, welchen Einkommensbegriff die Stadt heranzieht. Was den Vater stört, ist, dass sie sich einfach über die Empfehlungen des Bundes hinwegsetzt.

Mütter aus Laim fordern Geschwisterermäßigung

Und noch viel mehr erzürnt ihn, dass sich der Stadtrat in der Öffentlichkeit dafür feiern lasse, den Eltern die Gebühren vom Kita-Streik zu erlassen, und gleichzeitig de facto eine Gebührenerhöhung beschließe. "Die Sache mit der Rückerstattung war offensichtlich eine reine PR-Aktion", sagt der Vater.

Tatsächlich hat sich der damals amtierende Stadtschulrat Rainer Schweppe (SPD) im Juli 2015 die schon gängige Berechnungspraxis nachträglich vom Stadtrat absegnen lassen. "Es geht um eine Klarstellung des Einkommensbegriffs", erklärt eine Sprecherin des Bildungsreferats. Sie räumt ein, dass die Satzungsänderung zu höheren Gebühren führen kann. Wie viele Familien nun mehr bezahlen müssen, darüber gebe es allerdings keine Statistik.

Der Vater erwägt nun, juristisch gegen die Gebührensatzung vorzugehen. Damit ist er in guter Gesellschaft. Jüngst gründeten Mütter aus Laim eine Interessengemeinschaft. Sie fordern eine Geschwisterermäßigung auch für die Kinder, die eine Eltern-Kind-Initiative besuchen. Und auch sie wollen notfalls vor Gericht ziehen.

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