Kiosk-Kultur:Standl mit Charme

Im Sommer sind sie die Oasen der Großstadt, aber auch in den düsteren Wintermonaten freundliche Lichtblicke: die Münchner Standln.

Agnes Fazekas

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Münchner Standl Kiosk

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Im Sommer sind sie die Oasen der Großstadt, aber auch in den düsteren Wintermonaten freundliche Lichtblicke: Die Münchner Kioske. Anderswo heißen sie Trinkhallen, Büdchen, Trafiken oder Wasserhäuschen. Bei uns kennt man sie als "Standln".

Verspielt in Schwabing

Das Milchhäusl gibt es schon seit 1896 und war eigentlich einmal ein Geräteschuppen für die benachbarten Pferdestallungen. Heute soll es die Münchner mit "gesunder, bayerischer Öko-Brotzeit" versorgen. Spezialitäten wie "Fingerhakler" (Öko-Rostbratwürste) oder der heiße "Winter-Äxel" (Birne-Mohn-Punsch mit Sahne und Zimt) haben ihren Preis, dafür kann man die Leckereien im Winter in lauschigen Skigondeln genießen: In der Märchen-Gondel laufen Zauber-Geschichten vom Tonband dazu, in der Kuschel-Gondel kann man sich hinter roten Vorhängen vor neugierigen Blicken schützen und selbst den Rauchern wird ein eigenes Refugium gestellt.

Der Bio-Kiosk steht in der Königinstr. 6, gegenüber der Uni-Tierklinik, an einem der Haupteingänge des Englischen Gartens und ist jeden Tag von 10 Uhr bis 22 Uhr geöffnet. www.milchhaeusl.de

Text und Foto: Agnes Fazekas

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Retter der Nacht in der Isarvorstadt

Wer kennt ihn nicht, den einzigen 24h-Supermarkt Münchens? An Sommerabenden spazieren junge Leute aus dem Glockenbachviertel an die Brücke, um sich das Bier für die Stufen vor dem Gärtnerplatz-Theater zu kaufen. Morgens holt man sich die Zeitung, wobei der schnelle Kaffee bei einem Einkauf gratis ist. Und am Wochenende und nachts finden verzweifelte Singles hier von der Tiefkühlkost, über mariniertes Grillfleisch bis zur frischen Milch und Hygieneartikeln alles, was sie zu normalen Münchner Ladenöffnungszeiten nicht gekauft haben. Obwohl kaum Kinder zum festen Kundenstamm gehören, gibt es eine sehr überzeugende Gummibärchen-Auswahl - inklusive fachmännischer Verzehr-Anleitung.

Verkäuferin Jasmin, 60, fasst zusammen: "Das Einzige, was wir wirklich nicht haben, ist frisches Obst und Gemüse." Ausbaufähig ist die warme Küche, die sich bisher noch auf Fastfood beschränkt. Das gesamte Sortiment ist übrigens auch im Internet unter www.kiosk-muenchen.de aufgelistet.

Der Kiosk befindet sich direkt an der Reichenbachbrücke stadteinwärts und hat wirklich immer geöffnet.

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Zünftig in Haidhausen

Das Haidhauser Brotzeitstandl versteckt sich hinter dem Wiener Platz am Kinderspielplatz und ist "eben ein richtiges Münchner Brotzeit-Standl", wie die zwei Arbeiter erklären, die sich gerade ein Bier und Nürnberger mit Sauerkraut gönnen. Anonym wollen sie bleiben, denn eigentlich dürften sie gerade gar nicht hier sein, aber es sei so schön unkompliziert und gemütlich - gerade die richtige Mischung. "Da redet jeder mit jedem, der Politiker vom Landtag mit dem Bauarbeiter." Angelo, der den Kiosk mit seiner Mutter betreibt, kümmert sich darum, dass es eine gscheite Brotzeit zum Bier gibt. Der Tabak laufe nur nebenbei, erklärt er, und Zeitungen findet man hier gar nicht. Die Currywurst kostet 2,40 Euro, sechs Nürnberger mit Sauerkraut 4,50 Euro und das Fleischpflanzl mit Kartoffelsalat 3 Euro.

Geöffnet hat das Haidhauser Brotzeitstandl am Wienerplatz unter der Woche von 11 Uhr bis 19 Uhr und am Wochenende von 12 Uhr bis 19 Uhr, am Mittwoch ist Ruhetag

Text und Foto: Agnes Fazekas

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Gar nicht wurschtig in Schwabing

Der etwas verschlafene Nikolaiplatz an der Münchner Freiheit beherbergt seit Mai das Kleinod unter den Münchner Standln: "Alles Wurscht" heißt der Kiosk von Claudia Ott. Die Besitzerin hat sich hier niedergelassen, nachdem sie ihre beliebte, mobile Imbissbude an der Leopoldstraße aufgeben musste. Es sei die letzte mobile Imbissbude Münchens gewesen, wie sie sagt. Nun versüßt sie am Nikolaiplatz Büroleuten wie Bauarbeitern, Ärzten wie Schülern den Tag. Wobei eigentlich eher das Würzige ihr Metier ist: Vor einigen Jahren wurde ihre Currywurst sogar als "die beste Münchens" ausgezeichnet. Auch wenn viele jetzt sagen werden, dass das nicht unbedingt schwer sei in München, so zeigt der kleine Familienbetrieb doch auch mit seinen Suppen und Kuchen, dass ein Kiosk viel mehr als Straßen-Charme und Einheitsbrei anbieten kann. Stolz erzählt die Besitzerin, dass alles selbstgemacht sei, die Nürnberger vom Uli Hoeneß kämen und am Donnerstag "Schaschlik-Tag" ist. Die Currywurst mit Semmel kostet 3,30 Euro und die Kürbissuppe 2,50 Euro. Im Hinterhof hat das "Alles Wurscht" übrigens noch eine lauschige Gartenlaube versteckt. Zum Weiterlesen bitte umblättern...

Geöffnet hat das Alles Wurscht am Nikolaiplatz 3 wochentags von 11 bis 20 Uhr, samstags von 12 bis 18 Uhr.

Text und Foto: Agnes Fazekas

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Lustgärtchen im "Alles Wurscht"

Nur die Harten kommen jetzt noch in den Garten. Dabei sieht dieser doch, trotz Dezemberkälte, noch so einladend aus. Wer verfroren ist und trotzdem frische Luft braucht, kann sich beim Currywurst-Genuss in bunte Decken einmummeln oder doch lieber eine heiße Suppe schlürfen. Achtung: Nächstes Jahr ist das "Alles Wurscht" vielleicht schon kein Geheimtipp mehr.

Geöffnet hat das Alles Wurscht am Nikolaiplatz 3 wochentags von 11 bis 20 Uhr, samstags von 12 bis 18 Uhr.

Text und Foto: Agnes Fazekas

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Gutbürgerlich in Neuhausen

Das ist der Nabel von Neuhausen, erklärt Karl-Martin Pohl und meint den Waisenhausplatz 1. Hier freut er sich fast täglich an dem ehemaligen Trambahnhaus, in dem er hauptsächlich Zeitungen, Tabak, Lotto-Scheine und MVG-Tickets verkauft.

Obwohl er statt Currywurst lieber Postkarten anbietet und auf seine Zeitschriftenauswahl setzt, hat er doch auch etwas zum Genießen im Programm: Eine ungewöhnliche Weinauswahl. Dabei gebe es keine 08/15-Weine und erst recht keine 08/15-Beratung, erklärt der Herr mit dem verschmitzten Lachen. Denn es werde nirgends so viel geschwafelt wie unter Weinkennern: "Ich bleib da nüchtern." Lieber zählt er die "mühsam zusammengekratzten Zehnerl" der Kinder aus dem benachbarten Waisenhaus zusammen, die sich Kaugummi oder Gummibären kaufen wollen. Seit zwölf Jahren steht Herr Pohl im Trambahnhaus, doch die 51-jährige Sabine kauft hier sogar noch länger ein: "Ich komme seit Ewigkeiten her, der alte Besitzer war schon so nett." Das erklärt vielleicht auch, wieso die Neuhausener ihren Wein zu normalen Öffnungszeiten im Kiosk kaufen, anstatt in den umliegenden Weinhandlungen und Supermärkten.

Geöffnet hat der Kiosk an der Waisenhausstraße 1 wochentags von 6 Uhr bis 12.30 Uhr und von 14 Uhr bis 18.30 Uhr und am Samstag von 7 Uhr bis 13 Uhr.

Text und Foto: Agnes Fazekas

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Winterkurort in Schwabing

Der Kiosk St. Moritz in Schwabing macht seinem Namen alle Ehre: "Am schönsten Sonnenplatz in München", wie Besitzer Moritz Mayer verspricht, gibt es nicht nur Liegestühle, sondern bei entsprechender Witterung auch eine Schneebar. Außerdem steht gegenüber ein großer geschmückter Weihnachtsbaum. Wem noch nicht zu kalt ist, der kann sich in dem kleinen Tante-Emma-Laden mit dem umfassenden Sortiment Picknick-Körbe ausleihen und mit Tarte, Obst oder Tramezzini füllen lassen. Neben Suppen, Wiener Würsteln und Fleischplanzerln (2,20 Euro) gibt es frische Kuchen aus dem Café Ruffini und im Winter Glühwein.

Das St. Moritz in der Gunezrainerstraße 6 ist täglich von 8 Uhr bis 22 Uhr geöffnet, am Wochenende von 9 Uhr bis 22 Uhr. www.kiosksanktmoritz.de

Text und Foto: Agnes Fazekas

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Grande Dame im Englischen Garten

Was mache ihren Kiosk am Seehaus im Englischen Garten besonders? Die 74-jährige Margot Schunk hält ihren Charme für auschlaggebend: Schließlich kommen zu ihr nicht nur Spaziergänger, Obdachlose und Kinder, sondern auch "die ganzen Bankdirektoren und die ganzen arabischen Prinzen" - und das seit 30 Jahren.

Davor hat die Grande Dame des Englischen Gartens schon in Mauretanien gelebt, bis sie vor dem Militärregime fliehen musste. In Afrika habe sie auch für Charlie Chaplin Couscous gekocht. Kein Wunder, dass Margot Schunk die Prinzen dieser Welt so unbeeindruckt lassen. Wichtiger ist ihr die Weihnachtsdeko ihres Standls, und dass für jeden Geldbeutel etwas dabei ist.

Deswegen gibt es bei ihr nicht nur die obligatorische Currywurst für 3 Euro und die Leberkas-Semmel für 2 Euro, sondern auch den "amtlichen Führer vom Englischen Garten" und frische Schokoküsse à10 Cent für die vielen Schulkinder, die sie besuchen.

Zwischen Seehaus und Chinesischem Turm liegt das Standl von Margot Schunk, geöffnet ist witterungsabhängig, aber täglich.

Text und Foto: Agnes Fazekas

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Oldtimer in der Isarvorstadt

Seit 160 Jahren steht es schon am Schyrenplatz und ist somit nicht nur denkmalgeschützt, sondern auch das älteste Standl Münchens. Der Kiosk ist sogar älter als die Wittelsbacher Brücke, die hier von April bis Oktober den Münchner Obdachlosen Schutz bietet. Neben einem gemütlichen Plausch mit einem der Brückenbogenbesetzer oder spazierenden Rentnern kann man an dem grün gestrichenen Häuschen mit den weißen Zierstützen schon einmal ein echtes Abenteuer erleben: Im vergangenen Sommer beispielsweise verfehlte ein Jeepfahrer die Brücke, durchbrach das Geländer, überschlug sich in der Luft und krachte fünf Meter tiefer ans Isarufer. Während der Fahrer nur ein paar blaue Flecken davontrug, erschraken die Stammgäste an den wackligen Stehtischen ganz schön - Zeit für eine Wurstsemmel und ein Bier.

Der Kiosk befindet sich am Schyrenplatz an der Wittelsbacherbrücke.

Foto: Andreas Heddergott Text: Agnes Fazekas

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Hundswetter-tauglich im Norden

Das Minihofbräuhaus im Englischen Garten wissen vor allem Hundebesitzer zu schätzen. "Wir nehmen es mit den Hunden nicht so streng", erklärt der Mann an der Theke. An 365 Tagen im Jahr finden Herrchen während des Gassigangs ein warmes, geschütztes Plätzchen, eine Wiener für den Hund und im Winter hausgemachte Strudel oder Eintöpfe. Auf das klassische Kiosk-Sortiment, wie Tabak oder Zeitungen, legt das Publikum dagegen nicht viel wert und bekommt es dewegen auch nicht. Die "Leberkassemme" kostet 2 Euro, die Currywurst mit Pommes 3,90 Euro.

Das "Minihofbräuhaus" mit Biergarten steht an der Gyßlingstraße im Nordteil des Englischen Gartens und im Winter ist täglich von 10-19 Uhr geöffnet. www.minihofbraeuhaus.de

Foto: Stephan Rumpf Text: Agnes Fazekas

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Stylish in der Maxvorstadt

Der klassische Kiosk ist ja eher eine erdige bis derbe Angelegenheit: ehrliche Wurstsemmeln für die Bauarbeiter, ausgetrocknete Gummibärchen für Schulkinder und das Flachmann-Sortiment für Gestrandete. Im April haben sich die Betreiber der Bar Edmoses vorgenommen den Kiosk-Gedanken mal jung und stylish zu interpretieren und haben das Valderama an der Barerstraße eröffnet. Namensgeber ist Carlos Valderama, der ehemalige kolumbianische Fußballspieler mit den zitronengelb gefärbten Haaren.

Am Straßenverkauf in der Maxvorstadt gibt es zwar auch Zeitungen - die aber gleich international. Es gibt Tabak - aber auch Wireless Lan in der Hinterstube. Und statt Currywurst isst man hier ein Bio-Sandwich mit Tegernseer Saibling - oder gleich vegan. Nur die Öffnungszeiten sind eher spießbürgerlich statt szenig.

Montag bis Freitag von 7.30 bis 19 Uhr und am Samstag von 9 bis 16 Uhr bedient man in der Barerstraße 45 (neben dem Schelling-Salon).

Foto: Robert Haas Text: Agnes Fazekas

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