Süddeutsche Zeitung

Kinofilm über den Eisbach:Von Pionieren und Posern

Lesezeit: 2 min

Seit den siebziger Jahren lockt die Welle am Eisbach waghalsige Surfer. Nun kommt der Film Keep Surfing ins Kino .

Anne Goebel

Auf der Kinoleinwand sieht alles mühelos aus. Der Sprung mit dem Brett aufs Wasser, das tänzerische Ausbalancieren, der Ritt auf der glitzernden Welle. In Wirklichkeit braucht es Kraft, Verbissenheit, zahllose Fehlversuche. Und während auf den schönen Bildern die Surfer am Eisbach oder an pazifischen Stränden vor Lebensfreude strotzen, haben sie in Wirklichkeit oft Stimmen wie schwer erkältet, der ständig unterspülten Nebenhöhlen wegen.

Am Mythos vom Wellenreiten, der Freiheit und Leichtigkeit verheißt, perlen solche schnöden Tatsachen ab wie Nässe am Neopren - wie sehr sich gerade bei diesem Sport die Regeln aus den eigenen Wunschbildern speisen, kann man ja jeden Tag beim Haus der Kunst besichtigen. Das Ritual der Beiläufigkeit, die lässige Könnerschaft, das gehört unbedingt dazu am Eisbach, abgesehen von kalifornisch guter Laune bei jedem Wetter.

Björn Richie Lob, selbst seit vielen Jahren aktiver Surfer, hat jetzt einen schönen Film über die Szene am Eisbach gedreht und darüber, dass ihr Kern, die wahren, besessenen Surfer, im Grunde verschlossene Eigenbrötler sind. Keep Surfing, ab 20. Mai im Kino, kommt zur richtigen Zeit - gerade hat die Stadt die Legalisierung des Citysurfens unter Dach und Fach gebracht.

Das Reiten auf der stehenden Welle an der Himmelreichbrücke hat sich zwar in den vergangenen gut 30 Jahren unter Sportlern und Touristen zur vielbestaunten Attraktion entwickelt, war aber von amtlicher Seite bloß geduldet. Das offizielle Verbot wird nun durch eine Regelung abgelöst, die den Surfern freie Hand lässt - indem die Stadt ihr Revier per Grundstückstausch vom Staat übernimmt und das Umweltreferat die Bade- und Bootverordnung entsprechend anpasst.

Der notarielle Termin für die Verträge soll noch in den nächsten Monaten über die Bühne gehen. "Das Amt und die Welle" war im vergangenen Sommer zur besten Boarderzeit sogar dem Spiegel einen Artikel wert über ein mögliches finales Feststecken des anarchischen Freizeitvergnügens "in den Behördengängen". Auch am kommenden Sonntag wird die lange Geschichte vom anfänglichen "Brettlfahren" auf zweckentfremdeten Biertischen in den Siebzigern bis zu den waghalsigen Manövern der bald legalisierten Eisbach-Profis zur Sprache kommen, wenn Lob sein Keep Surfing im Kino Münchner Freiheit vorstellt.

Nach der Vorstellung um 11.30 Uhr diskutiert Lob mit Oberbürgermeister Christian Ude, Vertretern der Initiative "Rettet den Eisbach" - zu der im letzten Landtagswahlkampf medienwirksam auch Georg Fahrenschon gehörte - und dem Publikum über das Surfermekka München.

Ginge es nach einem der Film-Protagonisten, dürften da übrigens bloß ganz wenige mitreden. "Die meisten am Eisbach", sagt Walter "Hausmeister" Strasser in einer Szene, "sind bloß Poser." Strasser ist eine von Lobs Hauptfiguren, denen der Film zwischen ein paar arg glatt geratenen Gischt-und-Fun-Sequenzen auf einfühlsame Weise nachspürt.

Da ist der introvertiert wirkende Arzt, der nach der Arbeit stoisch den Kittel abstreift, mit spektakulären Brückensprüngen seinem Namen "Mr. No Fear" gerecht wird und im Kick auf dem Brett etwas zu finden scheint, das ihm der bürgerliche Beruf nicht geben kann.

Da ist der überdrehte frühere Junkie aus San Diego, der schwört, in einer tückischen Flusswelle in Kanada zum besseren Menschen geworden zu sein und in einer anrührenden Szene seinen kleinen Sohn auf dem Brett anfeuert.

Da ist der weise gewordene Eisbach-Pionier der verrückten ersten Jahre, der junge Wilde und, am Ende, noch einmal Walter Strasser mit seinem verwitterten Gesicht. Er hat sich davongemacht inzwischen, baut Didgeridoos auf Sardinien und reitet Wellen im Meer.

Für ihn war der Eisbach nur der Beginn einer langen Reise.

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Quelle:
SZ vom 05.05.2010
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