Kino:Ort mit richtigem Dreh

Guns Akimbo

Mit der Ex-Freundin im Englischen Garten: Miles, gespielt von Daniel Radcliffe, auf einer Bank am Kleinhesseloher See.

(Foto: LEONINE Distribution GmbH)

München ist beliebt bei internationalen Filmproduktionen. Auch "Guns Akimbo" mit Daniel Radcliffe ist teilweise hier entstanden

Von Josef Grübl

Er hat in den letzten zehn Jahren den Gehilfen von Frankenstein gespielt und eine furzende Wasserleiche, er ließ sich Hörner wachsen, marschierte als Neonazi auf oder mimte den Beat-Poeten Allen Ginsberg. Das Image des Zauberlehrlings haftet aber trotzdem an ihm, da kann Daniel Radcliffe noch so viele Rollen in irren Independent-Filmen annehmen. Auch das jüngste Projekt des britischen Schauspielstars fällt unter diese Kategorie. Und obwohl sich der Titelheld der "Harry Potter"-Filme kaum verändert hat, stellt er sich in "Guns Akimbo" vor: "Hi, ich bin Miles - und das ist der schlimmste Tag meines Lebens."

Was so schlimm ist an diesem Tag, erfahren die Zuschauer später, zunächst lernen sie Miles kennen: Der junge Mann ist Videospiele-Entwickler, lungert vorzugsweise im Bademantel herum und hinterlässt auf Internetseiten fiese Kommentare. Solche Leute nennt man Trolle, im wahren Leben bekommt man sie selten zu greifen. Im Film aber schon: Die Betreiber einer blutrünstigen Ballerspiel-Website finden heraus, wer sie trollt und schicken ein Schlägerteam bei Miles vorbei. Das ist der Beginn seines schlimmen Tages, schließlich wird er ordentlich vermöbelt. Dann wird es noch schlimmer, denn sie machen ihn zu einem realen Kämpfer, der zu live übertragenen Todesduellen antreten soll.

Dafür schrauben sie ihm in jede Hand eine Schnellschusspistole. "Akimbo" nennt man das beidseitige Benutzen von Waffen, der Filmtitel ist also Programm: Es wird mindestens doppelt so viel geballert, zwischendurch gibt es derbe Scherze. Wer also sehen will, wie sich ein Weltstar mit Potter-Power und Pistolenhänden eine Hose anzieht, ein Würstchen isst oder aufs Klo geht, ist bei der rabiaten Actionsatire des Neuseeländers Jason Lei Howden genau richtig.

Jetzt läuft die deutsch-amerikanisch-neuseeländische Koproduktion in den Kinos an: In München vorerst im Gloria Filmpalast und Cinemaxx, Anfang Juli sollen weitere Kinos hinzukommen. Doch eigentlich ist die Zeit solcher, an brutale Videospiele angelehnte Ballerfilme schon vor Corona abgelaufen. Das Mainstream-Publikum bevorzugt Superheldenspektakel oder Animationshits, klassische Actionfilme oder Thriller haben oft das Nachsehen. Wieso kommt "Guns Akimbo" dann überhaupt in die Kinos? Die Antwort darauf liegt im Englischen Garten: Dorthin verschlägt es Miles in der ersten Hälfte des Films, dort will er seine Ex-Freundin wiedersehen. Die beiden spazieren also durch die grüne Lunge Münchens, vorbei am Kleinhesseloher See.

Einige Szenen wurden auch in einer Papierfabrik in Dachau gedreht

Doch bevor es zu bajuwarisch-gemütlich wird, kommt das nächste Erschießungskommando vorbei und die Actionhatz geht weiter. Später sieht man Radcliffe noch auf der Hackerbrücke - das war's dann aber mit filmischem Sightseeing. Einige Szenen wurden in einer Papierfabrik in Dachau gedreht, der Rest entstand in Chicago, Auckland und Kansas City. Und so schön der Englische Garten auch ist: Filmisch gesehen hätte man auf diesen Schauplatz verzichten können, gedreht wurde hier rein aus finanziellen Gründen.

Zwei Millionen Euro steuerte der Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF) im Rahmen seines Sonderprogramms "Internationale Koproduktionen" bei, weitere 2,2 Millionen Euro kamen vom Deutschen Filmförderfonds (DFFF). Das sind millionenschwere Argumente, da geben die Macher ihr Geld gerne in der jeweiligen Förderregion aus. Als Kameramann wurde der Deutsche Stefan Ciupek engagiert, die Produktionsfirma Maze Pictures fungierte als Koproduzent. Das Münchner Unternehmen hat Erfahrung mit solchen Projekten, sie realisierten "The Happy Prince" von Rupert Everett, den Berlinale-Wettbewerbsfilm "Siberia" mit Willem Dafoe oder die noch nicht angelaufene Actionkomödie "Kung Fury 2" mit Arnold Schwarzenegger.

All diese Filme wurden zumindest teilweise in Bayern gedreht. Das überzeugte auch den FFF, der den Standort stärken will; neben den Produktionsfirmen sitzen auch viele Technik- und Special-Effects-Unternehmen in München. Auch Hollywoodfilme wie "Guardians of the Galaxy 2" oder "Black Panther" profitieren von dieser Art der Förderung, bayerische Gelder gab es für deren Effekte - die wiederum bei in Bayern ansässigen Unternehmen in Auftrag gegeben wurden und diese groß machten.

Über das Schwarzenegger- und das Radcliffe-Projekt sagte der Maze-Produzent Philipp Kreuzer vor Kurzem im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung: "Sie gehören zu den aufwendigsten Projekten, die in den letzten zwei Jahren in Deutschland gedreht wurden." Groß sind sie also, die internationalen Koproduktionen aus Bayern - jetzt müssen sie nur noch gut werden. Denn künstlerisch überzeugten nur wenige dieser Projekte, man denke nur an das Actiondesaster "Big Game" mit Samuel L. Jackson oder den Animations-Flop "Playmobil: Der Film". In den nächsten Wochen starten noch mehr solcher bayerisch-internationalen Filme, der wegen Corona verschobene Berlinale-Film "Siberia" etwa, das Weltkriegsdrama "Resistance" oder das Fantasy-Abenteuer "Drachenreiter". Und wer weiß: Vielleicht machen sie ja Bayern zur ersten Adresse für internationale Koproduktionen.

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