Kino:Verspielt und radikal

Dagmar Knöpfel

Arbeitet fürs Fernsehen und fürs Kino: Dagmar Knöpfel.

(Foto: Manu Theobald)

Das Filmmuseum widmet der Münchner Regisseurin Dagmar Knöpfel eine Retrospektive

Von Fritz Göttler

Romantischen Frauen spüren die Filme von Dagmar Knöpfel nach. Romantisch nicht im vagen oberflächlichen Sinn von schwärmerischer, melodramatischer Gefühligkeit, sondern durchaus mit harten Konturen. Frauen, die ihre Gefühle ernst nehmen, sie keinesfalls von den Männern kontrollieren lassen und deren starrsinnigen bürgerlichen Konventionen; Frauen, die somit am Anfang der Moderne stehen. Auguste Bußmann zum Beispiel, in Dagmar Knöpfels zweiten Kinofilm "Requiem für eine romantische Frau", die 1807 sich in den Dichter Clemens Brentano verknallt, mit sechzehn, und ihn zur Ehe bewegen kann (gespielt werden sie von Janina Sachau und Sylvester Groth) - aber er schon nach kurzer Zeit mit ihrem jugendlichen Überschwang nicht mehr mithalten kann. Die Frau ist verspielt und radikal zugleich, der Mann hat so viel anderes zu tun, unter anderem dichten, und deklariert Leidenschaft zum Wahn: "Du bist entweder blöd oder wahnsinnig." Auch Brigitta leidet an ihrer Unbedingtheit, die ungarische Gutsherrin in der Erzählung von Adalbert Stifter, nach der Dagmar Knöpfels erster Kinofilm "Brigitta" entstand. Mit ihm wird die Knöpfel-Retrospektive des Münchner Filmmuseums (online, Vorführungen im Kinosaal sind immer noch nicht möglich) am Donnerstag eröffnet. Brigitta hat sich dem Mann versagt, der sie betrogen hat, sie lebt einsam auf ihrem Gut, reitet hoch aufgerichtet auf ihrem Schimmel über die Puszta. Der tschechischen Schriftstellerin Božena Němcová widmet sich Dagmar Knöpfels dritter Film "Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern", sie flieht vor ihrem ruppigen Mann, arbeitet noch an einem letzten Brief an ihren Verleger, während der Krebs schon ihren Körper zerfrisst.

Dagmar Knöpfel, geboren 1956 in Heilbronn, hat in München Kunstgeschichte, Soziologie und Archäologie studiert, ging dann an die Hochschule für Fernsehen und Film, hat drei Spielfilme produziert und inszeniert, Fernsehen gemacht, "Tatort" (Batic und Leitmayr) und GZSZ-Folgen, aber auch dokumentarisch gearbeitet, "Aufgenommen in den Himmel - vom Glauben an die leibliche Auferstehung", über Todkranke im Hospiz der Barmherzigen Brüder.

Sie dreht an Originalschauplätzen, erforscht die Textur der literarischen Vorlagen, ihre Stofflichkeit, ihre Patina: die bröckelnden Mauern deutscher Städte, brüchige handgewebte Stoffe, die rauen Töne, wenn die ungarischen Akteure in "Brigitta" deutsche Sätze modulieren, Wort für Wort. Der Zauber der Handwerklichkeit.

Das "Requiem" entstand nach einem Buch von Hans Magnus Enzensberger, der auch das Treatment für den Film schrieb;Igor Luther, der viel mit Schlöndorff arbeitete, auch bei der "Blechtrommel", hat die Kamera gemacht. Die Božena Němcová im dritten Film spielt Corinna Harfouch. Die Spielfilme waren alle drei im Kino zu sehen, sie machen neugierig auf die noch unentdeckten Werke von Dagmar Knöpfel (den aufregend spröden Kurzfilm "Morgen" etwa, nach einer Geschichte von Joseph Conrad). Die Reihe wird bis in den Mai mit wöchentlich wechselndem Programm fortgesetzt.

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