Kino:Tödliche Glückssuche

Schatten der Wüste

Als Leiharbeiter nach Dubai, als Leiche zurückgekehrt: Zeichnungen im Film schaffen Ruhepunkte der Abstraktion.

(Foto: F. Schönenberger, J. Subramanian)

Das bayerisch-indische Filmemacherpaar Franziska Schönenberger und Jay Subramanian hat eine neue Doku gedreht: "Die Schatten der Wüste" erforscht ein sehr persönliches Schicksal

Von Anna Steinbauer

Jenseits des Ozeans wartet das Glück. Zumindest besagt das ein indisches Sprichwort. Für den Inder Baskaran lauerte auf der anderen Seite der Welt allerdings der Tod. Als Leiharbeiter ging er nach Dubai, um dort auf dem Bau Geld zu verdienen. Zurück kam nur ein Sarg mit seiner Leiche. Dem Totenschein nach hat der Vater zweier Kinder Selbstmord begangen. Doch Baskarans Witwe Sundari misstraut der offiziellen Version der Todesumstände ihres Mannes. In der Doku "Die Schatten der Wüste" begibt sich der Filmemacher Jay Subramanian auf die Spuren seines gestorbenen Verwandten und dringt dabei tief in die schmerzvollen Abgründe moderner Sklaverei vor. Zusammen mit seiner Frau, der Filmemacherin Franziska Schönenberger, reiste er nach Indien und Dubai, um das dubiose Schicksal des Mannes seiner Cousine aufzuklären.

Nach der Culture-Clash-Komödie "Amma und Appa", bei der das Filmemacherpaar seine bayerisch-indische Familienzusammenführung anlässlich der eigenen Verlobung verfilmte, behandelt der neue Dokumentarfilm ein ernstes, trauriges Thema. Als Wanderarbeiter nach Dubai zu gehen, sei für Inder ein bisschen so wie für Europäer der Traum vom Auswandern und reich werden in Amerika, sagt Schönenberger. "Doch irgendwann kommt die Ernüchterung. Wie bei Soldaten, die nach dem Krieg heimkommen."

Die Lebensumstände der ausländischen Arbeiter sind meist schrecklich, die Löhne mies, die Unterkünfte dreckig und außerhalb der Stadt. Die Ausbeutung der Auswanderungswilligen fange an, bevor sie das Heimatland verlassen haben: "Es gibt Agenturen, die viel Geld für die Jobvermittlung und die Beschaffung von Ticket und Visum nehmen", erzählt die Regisseurin. "Um die Schulden zurückzahlen zu können, müssen die Leiharbeiter dann erst mal ein Jahr umsonst arbeiten." Dabei ist Indien vom Auslandseinkommen total abhängig. Den ersten Platz der Auslandsrückflüsse in Indien belegen die Golfstaaten. 28 000 Inder seien in den vergangenen vier Jahren in den Golfstaaten gestorben, als zweite Todesursache werde in Statistiken Selbstmord aufgeführt, so Schönenberger. "Im Schatten der Wüste" ist ihr Abschlussfilm an der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF).

Auch Baskaran ließ sich vom großen Geldversprechen locken. Fast fünf Jahre vergingen, dann meldete er sich telefonisch nicht mehr. Irgendwann bekam der in München lebende Subramanian einen Anruf aus Indien mit der Bitte, seiner Cousine Sundari bei der Suche nach ihrem vermissten Gatten zu helfen. Tatsächlich fand der Dokumentarfilmer und Grafikdesigner nach einiger Recherche heraus, dass Baskaran tot war und seine Leiche unidentifiziert in der Leichenhalle in Dubai lag. Als Baskarans entstellter Körper schließlich in Indien ankam, heizte dies die Gerüchteküche gehörig an. Bald glaubten alle im Dorf, er sei ermordet worden - trotz des Totenscheins, der auf Selbstmord ausgestellt war.

"Wir sind durch eine emotionale Reise gegangen in unserem Denken", sagt Schönenberger. Zwischen den sensiblen Interviews erlauben die wunderbaren Zeichnungen Subramanians dem Zuschauer zwischendurch, kurz zu verweilen. Durch die Abstraktion wird Baskarans Schicksal zu dem vieler indischer Glückssucher.

Die Schatten der Wüste, Regie: Franziska Schönenberger und Jay Subramanian, offizieller Kinostart am Do., 10. Jan.; nächste Termine: So., 13. Jan., 11 Uhr, und Mi., 16. Jan., 19.30 Uhr, Kino Breitwand, Gauting, Bahnhofsplatz 2

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