Kino:Sehen, was läuft

Kino: Überraschung: Wer zu einer "Sneak Preview" ins Kino geht, muss auf alles gefasst sein.

Überraschung: Wer zu einer "Sneak Preview" ins Kino geht, muss auf alles gefasst sein.

(Foto: Krists Luhaers / Unsplash)

Die "Sneak Previews" haben auch in Zeiten von Netflix nichts an Attraktivität verloren. Für die Kino-Betreiber allerdings wird es immer schwieriger, Filme dafür zu bekommen.

Von Janna Wolf

Montagabend, ein dunkler Kinosaal. Der letzte Werbespot ist gelaufen, der Film beginnt - der Moment der Wahrheit ist gekommen. Das Logo der Produktionsfirma erscheint auf der Leinwand, ein Raunen geht durchs Kino. Es folgt der Arthaus-Schriftzug und man meint, vereinzelt ein Seufzen zu hören. Dann beginnt endlich der Vorspann, und bald wird auch der letzte Besucher im Zuschauerraum erkannt haben, mit welchem Film er es an diesem Abend zu tun hat.

Das Prinzip der "Sneak Previews" widerspricht allen Trends des heutigen Filmgeschäfts. Denn eigentlich, so die Vermutung, stellt sich die "Generation Y" heutzutage mit der Hilfe von Streamingdiensten doch ihr eigenes Programm zusammen, das voll ist mit Filmen und Serien, die zu ihnen passen. Sie wollen nicht irgendwas schauen, sie wollen das schauen, was den Eindruck erweckt, ihnen auch zu gefallen. Und sie wollen schauen wo und wann sie Lust dazu haben. Da grenzt es fast schon an ein Wunder, dass es die gute alte Sneak Preview, die bereits in den 1930er Jahren erfunden wurde, um die Erfolgsaussichten eines Films auszuloten, immer noch gibt.

Sneak - das kommt aus dem Englischen und steht für das verborgene Weitererzählen von etwas Geheimem, auch wenn es sich dabei nur um Filme handelt, die noch gar nicht angelaufen sind. Heimlich wird dabei durchaus ernst genommen: Vor der Vorstellung weiß in der Regel niemand außer dem Kinobetreiber, welcher Film gleich auf der Leinwand zu sehen sein wird. Die Motivation für den Kinobesitzer ist dabei offensichtlich. Die Möglichkeit, neue Filme schon vor dem offiziellen Kinostart präsentieren zu können, lockt bis heute ein cineastisch interessiertes Publikum an. Die zumeist reduzierten Eintrittspreise tun ein übriges, und weil die Sneak Previews zumeist an den etwas schwächeren Kinotagen wie dem Montag laufen, ergibt sich ganz von alleine eine klassische Win-Win-Situation. Nicht selten sind Sneak Previews sogar besser besucht als parallel im Programm laufende Filme.

Und wie sieht nun der klassische Sneak-Preview-Besucher aus? Der ist meistens ein Wiederholungstäter, lässt sich gerne überraschen und schätzt nicht nur den geringeren Eintrittspreis, sondern durchaus auch die Tatsache, sich nicht selbst um die Auswahl eines Films kümmern zu müssen. Heißt aber auch: Man sollte von Haus aus schon eine gewisse Neugier und Offenheit mit in den Kinosaal bringen, denn ein Wagnis bleibt es allemal, sich in einen Überraschungsfilm zu begeben, um dann ziemlich schnell zu der Auffassung zu gelangen, möglicherweise doch im falschen Film gelandet zu sein. Aber: No risk, no fun.

Zumindest für die Kinobetreiber sind die Sneak Previews auch in Zeiten von Netflix ein wichtiges Marketinginstrument. "Man braucht heute Mundpropaganda. Wenn Leute einen Film hier gesehen haben und weiterempfehlen, dann profitiert der Film davon", sagt Holger Trapp von den Münchner Atelier Kinos. Deshalb hätten auch viele Verleihe nach wie vor großes Interesse an den Previews. Auch Mathias Fuss vom Mathäser Kino möchte die Vorschauen mit Filmen, deren offizieller Kinostart erst noch bevorsteht, nicht missen. "Wir machen das auch, um zu sehen, wie die Zuschauer auf einen Film reagieren, auf den sie nicht vorbereitet oder eingestellt sind", sagt Fuss. So könne es durchaus sein, dass ein Film, der beim Sneak-Preview-Publikum schlecht ankommt, entweder nur kurzzeitig oder gar nicht ins Programm aufgenommen werde.

Ob ein neuer Film überhaupt vorab in einer Sneak Preview gezeigt werden darf, bestimmen nicht zuletzt die Verleihe, die sich schon deshalb mehr und mehr in Zurückhaltung üben, weil die Angst vor illegal verbreiteten Kopien im Internet viel zu groß ist. "Oftmals ist nicht genug Angebot da, um viel auswählen zu können", sagt Mathias Fuss, der längst festgestellt hat, dass die großen Blockbuster für eine Sneak Preview so gut wie überhaupt nicht mehr zu bekommen sind. Für die Kinobetreiber heißt das umso mehr, sich auf ihren eigenen Geschmack und ihr Gespür für das, was das Publikum sehen will, zu verlassen. Und manch einer gibt angesichts einer immer schwieriger und komplexer werdenden Kinobranche unumwunden zu, manchmal selbst nicht sicher zu sein, ob ein Film auch tatsächlich erfolgreich laufen wird.

Noch muss man sich um den Fortbestand der Sneak Previews in einigen Münchner Kinos wie dem Atelier, dem Royal Palast am Goetheplatz, dem Mathäser, Cinema, Cadillac & Veranda, CinemaxX und dem Monopol am Nordbad sicher keine allzu großen Sorgen machen. In einigen dieser Kinos hat sich nämlich längst ein eingeschworenes Stammpublikum gebildet, für das die Sneak Preview ein fester Termin im Kalender ist. Gemeinsam wird dann spekuliert, was für ein Film laufen könnte. Sogar eine Internetseite gibt es mittlerweile dazu. Auf Score11 wird versucht, Filme für die Sneak Previews vorherzusagen.

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