Kino:Alles, was gerecht ist

Kino: "Wer kollabiert zuerst, unser Ökosystem Erde oder der Kapitalismus?", diese Frage stellt sich im Film "Oeconomia". Er zeigt Zusammenhänge zwischen Wirtschaftswachstum, Verschuldung und Vermögenskonzentration.

"Wer kollabiert zuerst, unser Ökosystem Erde oder der Kapitalismus?", diese Frage stellt sich im Film "Oeconomia". Er zeigt Zusammenhänge zwischen Wirtschaftswachstum, Verschuldung und Vermögenskonzentration.

(Foto: Filmmuseum München)

Die Reihe "Film-Welt-Wirtschaft" im Filmmuseum wirft einen kritischen Blick auf unser Gesellschaftssystem.

Von Josef Grübl

Über kaum ein anderes Thema wird derzeit so viel diskutiert wie über Lockerungen: Warum etwa wird in der Gastronomie auf die 2G-plus-Regeln verzichtet, während Theater und Kinos sie befolgen müssen? Warum dürfen Kunden in manche Läden nur getestet und in andere ohne Test rein? Und wer überprüft das Ganze überhaupt? "Nicht locker lassen", verkündet derweil das Filmmuseum (trotz oder gerade wegen der dort geltenden 2G-plus-Regeln), es ist das Motto der Reihe "Film-Welt-Wirtschaft". Ab 20. Januar werden an vier Abenden Filme zu den Themen Wirtschaft, Arbeit und Gerechtigkeit gezeigt.

Das Programm umfasst Kurz- und Dokumentarfilme, auch ein Spielfilm ist dabei: "Sorry We Missed You" vom britischen Altmeister Ken Loach erzählt einfühlsam von einem Arbeiterleben im 21. Jahrhundert. Im Mittelpunkt steht der Engländer Ricky (Kris Hitchen), der als Paketbote bis spät in die Nacht unterwegs ist, kaum noch seine Familie sieht und dennoch viel zu wenig Geld nach Hause bringt. Obwohl Ricky offiziell selbständig ist, fühlt er sich unfrei, er hetzt von Tür zu Tür und kommt trotzdem immer zu spät. Sieht so die Arbeitswelt von heute aus? Die einen bestellen Dinge und die anderen bezahlen den Preis dafür?

Aktivistinnen aus Hongkong, Uganda, Chile treibt die umweltbedingte Ungerechtigkeit auf die Straßen

Darüber darf man sich beklagen, dagegen kann man aber auch kämpfen: Im Dokumentarfilm "Dear Future Children" des jungen deutschen Regisseurs Franz Böhm lernt man Aktivistinnen aus Hongkong, Uganda und Chile kennen, die soziale, politische oder umweltbedingte Ungerechtigkeit in ihrer Heimat treibt sie auf die Straße. Der Film wurde per Crowdfunding finanziert und feierte 2021 beim Filmfestival Max Ophüls Preis seine Premiere. Wer nach ökonomischer Gerechtigkeit sucht, dem sei der Dokumentarfilm "Oeconomia" empfohlen. Regisseurin Carmen Losmann stellt darin ganz einfache Fragen, die aber selbst hochrangige Banker ins Schwitzen bringen. "Wer kollabiert zuerst", heißt es einmal, "unser Ökosystem Erde oder der Kapitalismus?" Es sei doch offensichtlich, dass das nicht mehr lange funktioniere, behauptet der Film.

Aber zumindest die Bürokratie funktioniert noch, das erfährt man in Darío Aguirres Film "Im Land meiner Kinder": Der ecuadorianische Dokumentarfilmer lebt seit 15 Jahren in Deutschland und hat in dieser Zeit nicht nur die Feinheiten der deutschen Sprache erlernt, sondern auch die der Mülltrennung und dass man nachts die Haustür abzuschließen hat. Nach vier abgelaufenen Pässen und zehn verschiedenen Visa erhält er die Staatsbürgerschaft - von niemand Geringerem als dem damaligen Hamburger Oberbürgermeister und heutigem Bundeskanzler Olaf Scholz.

Um eine der mächtigsten Frauen der USA geht es im zweifach Oscar-nominierten Dokumentarfilm "RBG": Die Initialen stehen für Ruth Bader Ginsburg, die bereits vor Jahrzehnten für Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit kämpfte, die als Rechtsreferendarin und Professorin arbeitete und 1993 von Präsident Clinton als Richterin am Supreme Court nominiert wurde. Man hat sie bewundert und angefeindet, sie wurde zu einer nationalen Ikone, ihre Fans ließen sich sogar ihr Konterfei als Tattoo stechen. Im September 2020, kurz vor Trumps Wahlniederlage, verstarb sie im Alter von 87 Jahren - danach stritt das ganze Land über ihre Nachbesetzung. Dabei dürfte sowohl den Demokraten als auch den Republikanern klar gewesen sein, dass sich eine Ausnahmeerscheinung wie Ruth Bader Ginsburg nicht so leicht ersetzen lässt.

Film-Welt-Wirtschaft, Do., 20., bis So., 23. Jan., Filmmuseum München, St.-Jakobs-Platz 1

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