Dokumentarfilm:Edgar Reitz dreht wieder

Dokumentarfilm: Edgar Reitz im Kreise ehemaliger Schülerinnen.

Edgar Reitz im Kreise ehemaliger Schülerinnen.

(Foto: Edgar Reitz Filmstiftung)

Zehn Jahre nach seinem letzten Film arbeitet der 90-Jährige an einem neuen Werk. Mit Super-8-Filmen aus den 1960er-Jahren will er eine Brücke schlagen zur Generation Tiktok.

Von Josef Grübl

Vor ein paar Monaten wurde Edgar Reitz 90 Jahre alt, sein letzter Film liegt zehn Jahre zurück. Doch jetzt arbeitet der Münchner Autorenfilmer und Schöpfer des "Heimat"-Zyklus' wieder an einem neuen Projekt: Die Dreharbeiten des abendfüllenden Dokumentarfilms mit dem Arbeitstitel "Filmstunde 23" fanden bereits im April statt, derzeit sitzt Reitz mit seinem Team im Schneideraum, sichtet und montiert das Film- und Bildmaterial. Produziert wird dieses Filmprojekt vom großen Gewinner des diesjährigen Deutschen Filmpreises, Ingo Fliess ("Das Lehrerzimmer"). Es soll bis Herbst fertiggestellt werden; wann und wo es seine Premiere feiern wird, steht noch nicht fest.

Im Spätsommer 2013 feierte Reitz' bildgewaltiges Vierstundenepos "Die andere Heimat - Chronik einer Sehnsucht" bei den Filmfestspielen in Venedig Premiere, später wurde es mit mehreren Deutschen und Bayerischen Filmpreisen ausgezeichnet. Ein künstlerischer Triumph für den im Hunsrück geborenen und seit seiner Studienzeit in München lebenden Filmemacher, der Abschluss seines viele Jahrzehnte umfassenden Hauptwerks. In den Jahren danach kümmerte sich Edgar Reitz vorwiegend um die Sicherung dieser Filme. Gemeinsam mit seinem Sohn Christian Reitz arbeitete er an der digitalen Restaurierung der "Heimat"-Filme - was eine Mammutaufgabe war, immerhin haben sie eine Gesamtlänge von mehr als 50 Stunden.

Zu seinem neuen Projekt kam der Filmemacher durch Zufall: Bei einem Theaterbesuch sprach ihn eine ältere Dame an, die sich als ehemalige Schülerin zu erkennen gab. Denn Edgar Reitz macht nicht nur seit mehr als sechzig Jahren Filme, sondern arbeitete auch als Lehrer. So gründete er 1963 gemeinsam mit Alexander Kluge das Institut für Filmgestaltung an der Hochschule für Gestaltung Ulm, dort unterrichtete er auch mehrere Jahre lang, gab Kurse zu Regie und Kamera. Im Jahr 1968 veranstaltete er am Münchner Luisengymnasium einen Kurs, in dem es um die Geschichte und Ästhetik der Filmkunst ging. Seine Schülerinnen waren 26 dreizehnjährige Mädchen. Im praktischen Teil des Unterrichts sollte jede der Schülerinnen einen eigenen Super-8-Kurzfilm entwerfen, drehen und schneiden.

Die ältere Dame, die Reitz im Theater angesprochen hatte, erzählte ihm, dass der Kontakt zu ihren Klassenkameradinnen nie abgerissen sei. Sie würden sich auch noch heute jährlich treffen, um über die gemeinsame Film- und Kinoleidenschaft zu sprechen. Für einen Cineasten und ehemaligen Lehrer muss sich das traumhaft anhören, für Bildungs- und Kulturpolitiker ebenfalls: Seit vielen Jahren gibt es immer wieder Bemühungen, Filmbildung als festes Schulfach zu etablieren. Was angesichts der stetig zunehmenden Bilderfluten durchaus Sinn ergeben würde: Kinder konsumieren heute stundenlang Filme, Serien, Youtube- oder Tiktok-Videos, haben aber nie gelernt, das Gesehene zu reflektieren. Man könnte sogar behaupten, sie seien filmische Analphabeten.

Nach der Begegnung mit seiner ehemaligen Schülerin ging Edgar Reitz auf die Suche: In Archiven fand er die vor 55 Jahren gedrehten und unversehrt gebliebenen Super-8-Filme, er ließ sie digitalisieren und zeigte sie im April bei einem Klassentreffen in München. Davon wird Reitz' neuer Film auch erzählen, von den ersten filmischen Ausdrucksversuchen junger Mädchen, der Wiederbegegnung mit dem Lehrer von damals und dem Erwachen einer lebenslangen Kinoliebe.

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