Der Traum ist aus, heißt es gleich zu Beginn in einem Lied von Rio Reiser. Dann lernt man Hedi und Karl-Heinz kennen, damals und heute, 50 Jahre später. Die beiden verbindet eine große Liebesgeschichte, die Grenzen überwunden und politische Systeme gesprengt hat, die sich durch nichts aufhalten ließ. Außer von ihnen selbst vielleicht. Denn wie heißt es in dem Lied? "Der Traum ist aus. Aber ich werde alles geben, dass er Wirklichkeit wird."
Damit ist man auch schon mittendrin in "Sorry Genosse", dem Kinofilmdebüt von Vera Maria Brückner. Sie trifft darin auf ein deutsch-deutsches Liebespaar, das sich 1969 in der DDR kennengelernt hat. Der aus dem Westen stammende Karl-Heinz war auf Familienbesuch in Thüringen, dort verliebte er sich in Hedi. Sie schrieben Briefe, trafen sich in Prag und verzweifelten fast daran, wie schwer ihnen der Kalte Krieg die Liebe machte. Seine Verzweiflung war so groß, dass er sogar einen Einbürgerungsantrag an die DDR stellte. Doch die Stasi-Behörden hatten etwas anderes mit dem verliebten Studenten aus dem Westen vor. Und dann kam das Paar auf diese völlig verrückte Idee mit Rumänien - aber das ist wiederum eine ganz andere Geschichte.
Ein starkes Debut auf der Berlinale
"Mir war immer klar, dass es in meinem Film einen Genrewechsel geben wird, dass er zwei Teile hat", erzählt Vera Maria Brückner bei einem Treffen im Münchner Museumsviertel. Das liegt an der Geschichte, die ja ebenso überraschend und wendungsreich war. Sie kenne Hedi und Karl-Heinz seit Jahren, verrät sie, ihr Sohn sei ein Freund von ihr. Damit weiß man auch, dass es gut ausging, trotz Eisernen Vorhangs, trotz Stasi und Securitate. Sonst hätte dieser Dokumentarfilm wohl anders ausgesehen, mit dem Brückner ihren Abschluss an der HFF München gemacht hat. Im Gespräch wirkt die 1988 geborene Filmemacherin recht aufgeweckt und fröhlich, das geteilte Deutschland kennt sie nur aus dem Geschichtsunterricht.
Das sieht man dem Film an, das macht auch seinen Charme aus. Es ist ein frischer Blick auf die deutsche Vergangenheit; liebevoll, verspielt und mit viel Humor. "Ich erzähle gerne Geschichten", sagt sie, auch wenn diese hier "Ausmaße wie bei den Buddenbrooks" hatte. Sie musste also kürzen und sich genau überlegen, welche Infos für das Verständnis der Geschichte wichtig waren. Allein die Schnittphase dauerte acht Monate. Die lange Arbeit hat sich gelohnt, Brückner erhielt vergangenes Jahr eine Einladung zur Berlinale.
Als es aber um die alles entscheidende Frage geht, bekommt Karl-Heinz einen Lachanfall. Das ist aber nicht die einzige Überraschung. In Berlin seien viele Menschen auf sie zugekommen und hätten ihre eigenen Flucht- und Liebesgeschichten erzählt, sagt sie. Gut möglich, dass es noch ein paar mehr werden: Vera Maria Brückner ist derzeit mit "Sorry Genosse" auf Kinotour, am 1. Februar stellt sie den Film in ihrer Heimatstadt München vor. Dieser Traum ist also nicht aus, er fängt gerade erst an.
Sorry Genosse, D 2022, Regie: Vera Maria Brückner, Premiere: Mi., 1. Feb., 20 Uhr, Rio Filmpalast , Kinostart am 9. Februar