Kino:Festival mit Femmes fatales

Kino: Eine europäische Gräfin (Pola Negri), die raucht und angeblich sogar eine Tätowierung hat: Das reichte im Jahr 1925 für einen Skandal.

Eine europäische Gräfin (Pola Negri), die raucht und angeblich sogar eine Tätowierung hat: Das reichte im Jahr 1925 für einen Skandal.

(Foto: Filmmuseum München)

Das Filmmuseum meldet sich mit 18 Stummfilm-Raritäten aus der Sommerpause zurück.

Von Josef Grübl

Zunächst einmal sieht er nur eine behandschuhte Hand, die eine Zigarette aus dem Wagen hält. Die Hand gehört zu einer exotischen Frau mit viel Make-up im Gesicht; das erkennt er, als er näher kommt und sie ihn spöttisch anlächelt. Für den strengen Sheriff ist das schon zu viel, er will die Fremde schnurstracks dorthin zurück schicken, wo sie herkommt. Dafür gebe er ihr zwanzig Minuten, sagt er drohend. Daraufhin sie: "Pardon Monsieur, ist das nicht ein bisschen wenig Zeit? Ich komme ja aus Italien."

Der amerikanische Stummfilm A Woman of the World (Eine Frau von Welt) aus dem Jahr 1925 ist eine frühe Form der bis heute populären Culture-Clash-Komödie: Hier treffen die Bewohner einer Kleinstadt mit ihren puritanischen Moralvorstellungen auf eine europäische Gräfin, die in der Öffentlichkeit raucht (schockierend!) und sogar eine Tätowierung haben soll (noch viel schockierender!). Das Kino erzählt gerne von kulturellen Unterschieden und Gegensätzen, die sich mal anziehen und dann wieder nicht.

Hier sorgt die verruchte Pola Negri für Spannung, eine Femme fatale, die in den deutschen Filmen von Ernst Lubitsch zum Star wurde, dem amerikanischen Publikum aber nie so ganz geheuer war. Mit diesem (am Di., 5. Sep., um 18.30 Uhr aufgeführten) und 17 weiteren Stummfilmen kehrt das Filmmuseum aus der Sommerpause zurück. Gezeigt werden Raritäten aus Deutschland, China, Schweden oder Japan. Es hat Tradition, dass das Festival der Stummfilme die neue Spielzeit eröffnet: Die Reihe ist beim Publikum beliebt, nicht zuletzt wegen der Musiker, die das Geschehen auf der Leinwand live begleiten.

Nach den Stummfilmen geht es weiter mit der Reihe "200 Jahre Fahrrad", gezeigt werden unter anderem Vittorio de Sicas neorealistischer Filmklassiker Fahrraddiebe (Mi., 6. Sep., 21 Uhr), Jacques Tatis Evergreen Jour de Fête (Mi., 14. Sep., 21 Uhr) oder Tran Anh Hungs fiebriges Neunzigerjahre-Stadtporträt Cyclo (Mi., 25. Okt., 21 Uhr).

Noch zwei weitere Filmreihen starten im September: Eine Retrospektive der Filme von David Lynch sowie eine Hommage an das Kino der Adenauerjahre, das Stars wie Horst Buchholz, Elke Sommer, Mario Adorf oder Hildegard Knef hervorbrachte und laut Programmheft "besser als sein Ruf" sei.

Intern. Stummfilmtage, Do, 31. Aug., bis Mi., 6. Sep., Filmmuseum, St.-Jakobs-Pl. 1, t 23 39 64 50

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