Süddeutsche Zeitung

Kino:Menschen, Hunde, Sensationen

Das Filmmuseum holt deutsche Filme aus den vergangenen zwei Kinojahren zurück auf die Leinwand.

Von Josef Grübl

Schaut man auf die Besucherzahlen, ist die Sache klar: Der Kinderfilm "Die Schule der magischen Tiere" führt die Liste der erfolgreichsten deutschen Filme des Jahres 2021 an, gefolgt von "Kaiserschmarrndrama" und "Contra". Und da das Kinojahr wegen monatelanger Kinoschließungen eigentlich nur ein halbes war, kann man auch die Tophits des Jahres 2020 hinzufügen: "Nightlife", "Die Känguru-Chroniken", "Jim Knopf und die Wilde 13". In der Bestenliste der Jahre 2020/2021 sind diese Titel trotzdem nicht vertreten, zumindest nicht in der des Filmmuseums: Hier geht es um künstlerische Kriterien, drei Filmkritiker haben ihre persönlichen Top-Ten-Listen einheimischer Produktionen erstellt. Im regulären Kinobetrieb hatten es viele dieser Kritikerlieblinge schwer, umso schöner ist es, eine Auswahl davon noch einmal auf der großen Leinwand zu sehen.

Groß ist auch der Film, mit dem die Reihe eröffnet wird - und das nicht nur wegen des Titels: "Große Freiheit" von Sebastian Meise erzählt von einem Mann, der Männer liebt und dafür im Nachkriegsdeutschland ins Gefängnis muss. "Ich will den Perversen nicht bei mir haben", sagt ein verurteilter Mörder (Georg Friedrich), als der sogenannte 175er Hans (Franz Rogowski) in seine Zelle kommt. Im Laufe der Jahre kommen sich die beiden ungleichen Männer aber immer näher.

Über mehrere Jahrzehnte hinweg geht es auch im Dokumentarfilm "Walchensee Forever": Janna Ji Wonders erzählt von ihrer eigenen Familie, der Urgroßmutter, die im Jahr 1920 ein Ausflugscafé am titelgebenden See eröffnete, ihrer Tochter, die dort bis ins hohe Alter Wirtin war, und den Enkelinnen, die es in die Welt hinauszog, zu den Blumenkindern in San Francisco oder in Rainer Langhans' "Harem" in München-Schwabing.

In seiner künstlerischen Radikalität kommt Oskar Roehler mit seinem Biopic "Enfant terrible" Fassbinders Werk ziemlich nahe

Münchner Geschichten hat auch Oskar Roehler parat, sein 2020 erschienenes Fassbinder-Biopic "Enfant terrible" kommt in seiner künstlerischen Radikalität dem Werk des 1982 verstorbenen Regiegenies ziemlich nahe. Dass er sich selbst ebenfalls als Enfant terrible sieht, als Ausnahmeerscheinung inmitten "mediokrer Film- und Fernsehfuzzis", stellte Roehler im SZ-Interview klar: "Die meisten können das nicht, weil sie immer nur so langweilige Kacke gemacht haben."

Unbestritten ein Könner ist auch Andreas Kleinert, der in seinem Künstler-Biopic "Lieber Thomas" aus dem Leben von Thomas Brasch erzählt, leidenschaftlich und in tollen Schwarzweißbildern. Es war ein gutes deutsches Kinojahr, das sieht man auch am Wettbewerb der Berlinale 2020, wo Dominik Grafs Kästner-Verfilmung "Fabian oder Der Gang vor die Hunde" lief, Maria Schraders Romantik-Roboter-Komödie "Ich bin dein Mensch" oder Maria Speths Lehrer-Schüler-Dokumentarfilm "Herr Bachmann und seine Klasse". All diese Filme (und noch ein paar mehr) stehen auf dem Spielplan, die meisten von ihnen sogar mit englischen Untertiteln. Damit auch Zuschauer, die kein Deutsch sprechen, sich von der Qualität dieser Filme überzeugen können.

Deutsche Filme 2020/2021, Di., 25. Jan., bis Sa., 12. März, Filmmuseum, St.-Jakobs-Platz 1

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